Tatortreiniger gesucht: Die schrägsten Berufe der Welt
Flugzeugturbine zum Opfer gefallen sind, haben »dank« unserer höchst freimütigen Art, mit Abgasen umzugehen, zum Teil derart akute Atembeschwerden, dass sie nicht selten beschließen, ihrem irdischen Dasein ein Ende zu setzen. Langer Rede kurzer Sinn: Es gibt immer weniger Vögel, und Ornithologen behaupten gar, jedes Jahr fielen rund fünfzig Vogelarten weltweit der Umweltverschmutzung und der Verringerung ihres Lebensraums zum Opfer.
Tja, Pech gehabt. Hättet uns halt nicht so viel aufs Hirn scheißen dürfen. Und das ewige Gesinge in den frühen Morgenstunden: kaum auszuhalten. Jenseits aller Toleranzgrenzen auch der Umgang mit unseren Kirschbäumen. Kaum prangt es rot an den Ästen, kommen regelmäßig die gierigen Flügelschwinger und fressen hemmungslos die Früchte weg. Sauerei!
Sie merken schon – außer einigen Taubenzüchtern und versponnenen Wissenschaftlern hat heutzutage kaum noch jemand ein uneingeschränkt positives Verhältnis zu den Nachkommen des Archäopteryx. Dennoch gibt es Menschen, die verdienen sich ihr täglich Brot dadurch, dass sie intensiv Ausschau halten, ob sich irgendwo in der Umgebung ein Vögelchen niederlässt. Nein, nicht was Sie jetzt denken. Wir sprechen nicht von mit Feinschrotgewehren bewaffneten Jägern in Nord-Italien, die eifrig gen Himmel ballern, sobald der erste nichtsahnende Schwarm von Zugvögeln gegen die lombardische Auffassung vom Asylrecht verstößt. Nein, diejenigen, die wir meinen, dürfen nur gucken. Nicht schießen, nicht anfassen, nicht essen – nur gucken.
Nun mögen diejenigen unter Ihnen, die sich abends am Stammtisch die Zeit gerne mit dem Erzählen von Herrenwitzen vertreiben, glucksend einwenden, es sei natürlich nett, anderen beim Vögeln zuzusehen, doch Vögeln zuzugucken, wie sie ein Nest beklettern oder flügelschlagend durch Baumwipfel rudern, sei längst nicht so anregend und schon allein deshalb sinnlos. Weit gefehlt. Wie vorhin bereits angedeutet, gibt es nämlich eine ganze Reihe von Wissenschaftlern – vornehmlich auf dem weiten Feld der Biologie –, die sich gerne und ausführlich mit Spatzen, Tauben, Amseln oder Rabenvögeln aller Art beschäftigen. Deren verdienstvolle Aufgabe – sei es die Verhaltensforschung, seien es genetische Studien oder lassen Sie es den Kampf gegen die Ausbreitung der Vogelgrippe sein – wird durch den zunehmenden Mangel an Vögeln nicht unbedingt erleichtert. Vordringlich ist es deshalb also zunächst einmal, festzustellen, wo sich denn noch welche Vogelarten heimisch fühlen oder zumindest ab und zu aufhalten.
Das allerdings ist gar nicht so leicht zu ermitteln. Man kann ja schlecht wochenlang durch Felder, Fluren und Auen streifen, um mittels Fernglas und der profunden Kenntnis verschiedener Drosseldialekte herauszufinden, wo die possierlichen Wurmpicker ihre Wohn- und Schlafzimmer aufgeschlagen haben. Zumal die Viecher auch noch dreist genug sind, immer dann ihre Schnäbel zu halten, wenn unter ihnen mit dem zartfühlenden Tippelschritt eines gereizten Nashorns eine Forscherarmada vorbeimarschiert. Nein, nein – Gevatter Zufall und Onkel Spürsinn haben vergleichsweise wenig Aussicht auf Erfolg, wenn es darum geht, herauszufinden, welche Vogelart noch nicht das Zeitliche gesegnet hat.
Um echte Erkenntnisse zu gewinnen, geht der Vogelzähler – so lautet die Berufsbezeichnung – in Einrichtungen, wie man sie einst für Amerikas Ureinwohner schuf. Damals nannte man die unwirtlichen Landstriche »Reservate« und bezeichnete sie gerne als »großzügig gewährte Schutzräume«. Ähnliches stellen wir nun auch den noch lebenden Vögeln zur Verfügung, wenn sie aus nur schwer nachvollziehbaren Gründen schon wieder kein Interesse daran zeigen, ihren Nestbau auf dem Mittelstreifen der achtspurigen Autobahn zu erledigen. »Vogelschutzgebiet« heißt jenes Zauberwort für einen begrenzten Raum, in dem nicht einmal ganz kleine Atomkraftwerke errichtet werden dürfen und die nur in Ausnahmefällen für militärische Manöver mit panzerbrechender Munition herangezogen werden. In diesen teilweise dicht bewaldeten, teilweise sumpfigen oder herrlich grünen Randgebieten unserer Wahrnehmung sollen Vögel in aller Ruhe brüten, flattern, picken und schlafen können – all das, was Vögel eben so tun. Genau in diesen raren Regionen, so lehrt uns der vollbärtige Naturschützer, zwitschert es noch aus allen Wipfeln – hier finden sich ganze Kolonien brütender Finken und Legionen insektenvernichtender
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