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Tatortreiniger gesucht: Die schrägsten Berufe der Welt

Tatortreiniger gesucht: Die schrägsten Berufe der Welt

Titel: Tatortreiniger gesucht: Die schrägsten Berufe der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nick L. Brille
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schenken uns in diesem Falle langwierige Einführungen und abstraktes Umschreiben jener Tätigkeit, die sprichwörtlich für die allumfassende, absolute, vollständige und totale Langeweile steht. Was sollen wir auch drumherumreden: Ein Farbtrockenzeitüberprüfer ist ein Farbtrockenzeitüberprüfer ist ein Farbtrockenzeitüberprüfer. Nicht mehr und nicht weniger. Jene legendäre Redewendung, eine Sache sei so langweilig, dass man genauso gut der Farbe beim Trocknen zusehen könne, hat also einen realen Hintergrund.
    Tatsächlich überprüft der Farbtrockenzeitüberprüfer die Zeit, die Farbe benötigt, um trocken zu werden, nicht allein durch puren Augenschein, sondern er wird auch manuell tätig. Ein Mann namens Keith Jackson aus Wales berichtete der britischen Tageszeitung Daily Mail von seinem Job und erzählte, das Unternehmen, das ihn angestellt habe, produziere in erster Linie Industriefarben. Für Kunden sei es oft extrem wichtig, dass schnell trocknende Farbe verwendet werde, denn häufig – besonders auf Baustellen – gehe es um die Einhaltung von Terminen. Bei der Generalüberholung der Londoner U-Bahn-Stationen beispielsweise werden tausende Liter Farbe verwendet, wobei die Streicharbeiten in der Regel erst beginnen sollen, wenn sich nur noch ganz wenige Menschen in den Stationen aufhalten, und möglichst beendet sein sollen, bevor der Berufsverkehr beginnt. Das bedeutet, das Zeitfenster für die Arbeiten und das Trocknen der Farbe beträgt gerade mal drei Stunden zwischen zwei und fünf Uhr morgens. In diesen Momenten ist der Job von Keith Jackson auch gar nicht so langweilig, denn da die jeweiligen Grundflächen häufig noch mit Worten oder Zahlenkombinationen überschrieben werden müssen, checkt er permanent den Trocknungsgrad der soeben verwendeten Farbe. Es obliegt dann ihm, zu beurteilen, ob auf dieser roten, grünen oder blauen Fläche schon wieder geschrieben werden kann oder eben nicht – in diesen Momenten wird Keith zum Derwisch der Colorierung.
    Bedauerlicherweise wird die U-Bahn jedoch längst nicht jeden Tag gestrichen, und so versuchen unser wackerer Waliser und seine über alle Industrienationen verstreuten Kollegen, die Zeit zwischen den Mega-Aufträgen irgendwie zu überbrücken. Sie starren Wände in großen Maschinenhallen an, inspizieren die Auffrischungen in Fußgängerunterführungen und checken den Trocknungsgrad der Graffiti-Übermalungen in öffentlichen Toilettenanlagen. Ihre Arbeitsgeräte sind ihre Augen, Nase und Finger, denn im Zweifelsfall hilft leichtes Auflegen der Fingerspitzen dem erfahrenen Farbtrockenzeitüberprüfer bei der Entscheidungsfindung.
    Keith und Konsorten sind jedoch nicht nur auf Baustellen vertreten, sondern sie spielen auch bei der Farbentwicklung ihrer Unternehmen eine entscheidende Rolle. Da es noch immer keine Maschine gibt, die clever genug ist, um den Trocknungsgrad einer Farbe sensibel festlegen zu können, wird auch hierfür wieder Keith gerufen. Seine Methode offenbart uns einmal mehr die stupende Überlegenheit des menschlichen Geistes: Er streicht die Farben auf ein Stück Karton, schnappt sich dann eine Stoppuhr und ermittelt mit dieser, wie lange es dauert, bis die Farbe vollständig trocken ist. Wahnsinn, oder? Wo ist der Nobelpreis, wenn man ihn braucht?
     
Gefahr: (Farbenrausch? Nee – ehrlich, da fällt uns nichts ein.)
Langeweile: ***** (Der Job ist tatsächlich von derart sprichwörtlicher Ödnis, dass sich eine Wertung fast verbietet.)
Seltenheit: ** (Den Job gibt’s häufiger, als man denkt; so richtig weit verbreitet ist er allerdings nicht.)
Ekelfaktor: (Solange man keine Farballergie entwickelt, gibt’s hier nichts, wovor man sich ekeln müsste.)
Neidfaktor: *** (Es gibt Menschen, die suchen ihr ganzes Leben lang nach einem wirklich ruhigen Job, in dem sie zwar eine gewisse Verantwortung tragen, aber weder hart arbeiten müssen noch Stress haben oder sich gar auf unterschiedliche Anforderungen einzustellen haben … Voilà.)

Vogelzähler
     
    A msel, Drossel, Fink und Star« – glaubt man dem bekannten Kinderlied, sind schon alle Vöglein da. Doch wer alten Kinderliedern glaubt, ist wahrscheinlich auch der Meinung, die Renten seien sicher, Walfang diene Forschungszwecken und Herbert Grönemeyer könne singen. Nein, die Wahrheit ist, dass es Amseln, Drosseln, Finken und Stare längst nicht mehr in jener Fülle gibt, die man einst besang. Diejenigen, die bislang keiner Ölpest, keinem Chemieunfall und keiner

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