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Tatsache Evolution

Titel: Tatsache Evolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: U. Kutschera
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kleineren afrikanischen Savannen-Säugetieren vermeiden. Nach der Selektionstheorie von Darwin und Wallace überleben bevorzugt jene Individuen großer Populationen in ihren Nachkommen, die zufallsbedingt die längsten Hälse hatten. Im Gegensatz zu Wallace glaubte Darwin an erbliche Effekte, die durch erhöhten Organgebrauch hervorgerufen werden sollen. Das reine Variations-Selektions-Konzept , wie es Wallace postuliert hatte, konnte später bestätigt werden. Bis heute gibt es keine empirischen Belege für die Darwin-Lamarcksche These von der Vererbung erworbener Körpereigenschaften.
    |40| Hier klingt bereits der Begriff »fitness« durch, der erst in der 1865 erschienenen 4. Auflage von Darwins Artenbuch eingeführt wurde.
    Ein systematischer Vergleich der 1858 veröffentlichten Darwin-Wallace-Publikationen (Abb. 1.9), deren Hauptinhalte in Abb. 1.13 in deutscher Übersetzung zusammengefasst sind, lieferte bemerkenswerte Resultate. Obwohl Darwin in seiner
Autobiographie
rückblickend geschrieben hatte, dass der Essay von Wallace exakt seine eigene Theorie enthalten würde, kann man die nachfolgend aufgelisteten gravierenden Unterschiede feststellen (Kutschera 2003 a):
Wallace unterschied zwischen domestizierten und natürlichen Arten – Haustiere betrachtete er als »abnormal«, die nicht als Modellsysteme für Freiland-Populationen dienen können. Im Gegensatz dazu war für Darwin die Analogie künstliche/ natürliche Selektion von entscheidender Bedeutung.
Wallace berücksichtigte nur Tiere (Vertebraten, Insekten) bei der Beschreibung des »struggle for existence«, während Darwin auch Pflanzen mit einbezog.
Wallace betonte die Kompetition der Tiere in Bezug zur Umwelt (Wettbewerb bzw. Kämpfe gegen Feinde und konkurrierende Arten), während Darwin insbesondere die innerartlichen Verteilungskämpfe hervorhob (intraspezifische Interferenz ).
Wallace lehnte das Konzept einer Vererbung erworbener Körpereigenschaften (d. h. die Kernthese von J.-B. de Lamarck) ab und hob in seinem Ternate-Essay diesen Punkt in deutlichen Worten hervor: »Die Hypothese von Lamarck, dass fortschreitende Änderungen in den Arten durch aktive Versuche der Tiere, ihre Organe durch Übung zu modifizieren, hervorgebracht werden, wurde wiederholt von verschiedenen Autoritäten zum Spezies- und Varietäten-Problem widerlegt« (sinngemäße Übersetzung des in antiquiertem Englisch verfassten Aufsatzes). A. R. Wallace war somit bereits 1858 davon überzeugt, dass es keine Vererbung erworbener Körpereigenschaften gibt. Der Naturforscher bezieht sich in seinem Essay u. a. auf das Beispiel der Langhalsgiraffen und erklärt |41| die ungewöhnliche Anatomie dieser Großsäuger der afrikanischen Savannen über zufallsbedingte Variabilität und natürliche Selektion (Abb. 1.10) (zur Evolution der Giraffen, s. Kutschera 2004). Charles Darwin war hingegen zeitlebens von der Lamarckschen These einer Vererbung erworbener Eigenschaften |42| überzeugt und formulierte zur Erklärung des »Giraffen-Phänomens « und analoger Beobachtungen seine »Pangenesis-Hypothese « (s. Kapitel 3).
Wallace erwähnte in keinem Satz den Faktor Zeit, während Darwin geologische Zeiträume und die Generationen-Folgen (Tausende bis Millionen) berücksichtigte. Hier kam die Erfahrung des Geologen Darwin zum Ausdruck – das evolutionäre Denken in »Äonen« geht letztlich auf diesen britischen Naturforscher zurück.
Bereits 1858 wurde von Darwin die
sexuelle Selektion
als Triebkraft des Artenwandels postuliert, während Wallace diese zweite Form der natürlichen Auslese noch nicht erkannt hatte (in späteren Schriften lieferte Wallace jedoch eine Erklärung für dieses biologische Phänomen, die unserer heutigen Interpretation sehr nahe kommt).
    Abb. 1.11: Original-Titelentwurf von Charles Darwin, verfasst im Frühjahr 1859. Das Artenbuch sollte unter der Überschrift »An Abstract of an Essay on the Origin of Species and Varieties through Natural Selection« erscheinen (»Ein Auszug eines Essays über den Ursprung der Arten und Varietäten durch natürliche Auslese«). Der Verleger hat den Autor dazu verpflichtet, einen anderen Buchtitel zu wählen.
    |42| Es sei nochmals hervorgehoben, dass bei Wallace der Schlüsselbegriff
Natural Selection
nicht vorkommt, den Darwin jedoch in seinem Aufsatz mehrfach benutzte. Wallace führte allerdings die Begriffe
Adaptation
und
Population
ein, die bei Darwin (1858) noch fehlen. Keiner der beiden Autoren erwähnte ein einziges

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