Tatsache Evolution

ein weiteres Mal aufzugreifen. Da ich in den letzten Jahren wiederholt von verunsicherten Schülern zur Frage nach der Zuverlässigkeit moderner Altersdatierungs-Methoden angeschrieben wurde, habe ich in einem Kapitel den Kreationismus im Zusammenhang mit der Erdalters-Problematik thematisiert. Dieser Aspekt des modernen »Anti-Evolutionismus« wurde bisher in der deutschsprachigen Literatur noch nicht systematisch behandelt.
    Im letzten Kapitel wird eine neue integrative Theorie vom Verlauf und den Antriebskräften der Evolution in allen fünf Organismen-Reichen der Erde vorgestellt. Dieses
Synade-Modell
der Makroevolution basiert auf der Symbiogenese, die für den Ursprung der ersten Mehrzeller verantwortlich war, der natürlichen Selektion und der Dynamischen Erde, d. h. geologischen Prozessen wie der Kontinental-Drift und dem damit in Verbindung stehenden Vulkanismus. Diese neue Sicht der Evolution führt weit über Darwins klassische Theorien hinaus, ohne jedoch den Grundprinzipien, die der geniale Urvater der Evolutionsforschung vor 150 Jahren publiziert hat, zu widersprechen .
    Wie eingangs erwähnt, basiert dieses Buch auf einer Lehrveranstaltung , die ich über mehrere Jahre hinweg an der Universität Kassel durchgeführt habe. Im Verlauf der Zeit ist der Text aus meinen Aufzeichnungen und den zahlreichen, für Vorlesungen und eingeladene Gastvorträge konzipierten Bild-Vorlagen in kleinen Schritten (graduell) zu dem vorliegenden Zehn-Kapitel-Opus »evolviert«. Ich danke Frau O. Brand (Schreibarbeit) und Frau H. Hage (Grafik- und Fotoarbeiten) für ihre Hilfe bei der Erstellung der Endfassung des reichlich bebilderten Manuskripts und dem Lektorat des
Deutschen Taschenbuch
Verlags
für konstruktive Zusammenarbeit. Wie beim Verfassen der Anfang 2008 erschienenen 3. Auflage meines Lehrbuchs
Evolutionsbiologie
habe ich die letzten Korrekturen und Ergänzungen während eines Forschungsaufenthaltes an der kalifornischen Stanford University (Carnegie Institution for |14| Science) vorgenommen. An meinem Zweit-Arbeitsplatz in den USA habe ich unbegrenzt Zugang zu sämtlichen Monographien und internationalen Fachzeitschriften aus den Bio- und Geowissenschaften , so dass dieses Buch zu Darwins 200. Geburtstag (12. Februar 2009) auf dem aktuellen Stand unseres Faktenwissens erscheinen kann.
     
    Stanford, im Oktober 2008
    U. Kutschera

[ Menü ]
|15| 1. Einführung: Charles Darwin, Alfred Wallace und das Selektionsprinzip
    Als ich am 22. Juni 2007 den Verlagsvertrag zu diesem Buch unterschrieben habe, erhielt ich am selben Tag von einer mir unbekannten Person ein Protestschreiben mit dem folgenden Inhalt: »Der an Schärfe zugenommene Feldzug der deutschen Evolutionsbiologen, mit der Zielstellung, gegen alle modernen Erkenntnisse von Forschung und Wissenschaft zu Felde zu ziehen , und das nur aus dem Grund heraus, den persönlichen Erfolg nicht in Frage zu stellen, sollte uns alle zum Widerstand aufrufen. Prinzipiell ist die Darwinsche Evolutionstheorie mit ihrer Grundaussage, dass natürliche Selektion und zufällige Mutationen für die Entstehung und Weiterentwicklung des Lebens verantwortlich seien, weder mit der Realität noch mit allen neueren wissenschaftlichen Erkenntnissen in Einklang zu bringen, mehr noch, sie ist schlicht und einfach falsch. Sollten Sie anderer Meinung sein, verweise ich auf meine Homepage.« Auf der empfohlenen Internetseite sind laienhafte Ausführungen zur Biologie der Organismen sowie pseudowissenschaftliche Thesen und Postulate zu finden. Der Autor propagiert einen naiven, wörtlich verstandenen biblischen Schöpfungsglauben, den so genannten Kreationismus (Abb. 1.1), der mit ausgeprägtem Sendungsbewusstsein dargeboten wird und mit biologischen Sachverhalten durchsetzt ist. Schlussfolgerung: »Die Ehre, diesen Planeten mit Leben erfüllt zu haben, gehört nur Gott, und wahrhaftig niemand anderem.«
    Die ständige Durchmischung bzw. Verwechslung von belegten Tatsachen, d. h. Fakten, und fiktiven Glaubensinhalten (Dogmen) ist typisch für derartige Internetpräsentationen zum Themenbereich »Schöpfung und Evolution«. Solche Darbietungen werden allerdings oft in einem erstaunlich professionellen »Design« erstellt, wobei diese elegante äußere Form im Widerspruch zum mangelhaften Inhalt steht. Ein Ziel dieses Buches ist es daher, die Tatsache der biologischen, (organismischen) |16| Evolution und die wichtigsten erklärenden Theorien zum dokumentierten Artenwandel als logisch