Tatsache Evolution
verschiedenen Gebieten), andererseits aber
der Generalist
seiner Zeit war. Dies ist einer der Gründe, warum ihn A. R. Wallace einmal als den »Newton der Biologie« bezeichnet hat. Wie aus den in Kapitel 4 vorgestellten unbekannten Theorien des Biologen Charles Darwin hervorgeht, war der britische Privatgelehrte, ausgehend von seiner frühen Käfer-Sammelleidenschaft, als
Tiersystematiker
(Schwerpunkt Rankenfußkrebse),
Biogenese-Theoretiker
(erster Autor eines Urtümpel-Konzepts),
Tierpsychologe
(Emotionen-Forscher bei Mensch und Tier),
Anthropologe
(Afrika-Ursprung des modernen Menschen), Mit-Begründer der
Entwicklungsphysiologie der Pflanzen
(Postulat der Existenz von Wuchsstoffen, Wurzelspitzen-Hirn-Modell), Urvater der
Blütenbiologie
(Prinzipien der Orchideen-Bestäubung) und
Bodenbiologe
(Bedeutung der Regenwürmer, Bioturbations-Theorie ) hervorgetreten. Seine
Meeresboden-Absenk-Theorie
zur Entstehung tropischer Korallenriffe, in der Darwins geologische Kenntnisse mit der Biologie verbunden sind, sei hier ergänzend in Erinnerung gerufen.
Darwin war somit ein Universal-Zoologe (von den Käfern über die Rankenfußkrebse bis zum Menschen) und -Botaniker (von der Keimlings-Physiologie zur Orchideen-Taxonomie) und daher einer der vielseitigsten und genialsten Biologen des 19. Jahrhunderts. Darüber hinaus hat Darwin mit seiner klassischen
Deszendenztheorie
das alle Teilgebiete der
Life Sciences
vereinigende Grundkonzept (organismische Evolution) als Erster fest etabliert und mit A. R. Wallace einen heute belegten Mechanismus zum Artenwandel im Tier- und Pflanzenreich postuliert (Prinzip der natürlichen Selektion). Mit der Formulierung seiner Theorie der
sexuellen Selektion
wurde Darwin nebenbei zu einem der Urväter der vergleichenden Verhaltensforschung (
Ethologie
). Diese außergewöhnlichen wissenschaftlichen Leistungen müssen wir im Lichte heutiger Erkenntnisse einer angeborenen Genialität und endogenen Motivation zuschreiben. Fazit: Der Buchtitel
Darwin
&
Co.
war, bezogen auf die dort behandelte Biologie des 19. und 20. Jahrhunderts, gerechtfertigt (Jahn und Schmitt 2001).
|319| Der in Kapitel 2 vorgestellte Komponist W. A. Mozart (1756 bis 1791) war der vielseitigste und originellste Tonsetzer seiner Zeit, dessen klassische Werke noch heute weltweit aufgeführt werden. Kaum ein anderer hat in allen Musikgattungen eine derartige Vielzahl an Kompositionen von höchster Qualität hervorgebracht . Im Köchel-Verzeichnis (KV) finden wir
Geistliche
Werke
wie Messen, Requien, Litaneien, Oratorien, Kantaten und Kirchensonaten;
Bühnenwerke
wie Opern, Singspiele, Ballett- und Schauspielbegleitungen;
Orchesterwerke
wie Sinfonien, Serenaden und Divertimenti;
Orchesterkonzerte
für Violine, Klavier, Flöte, Oboe und Horn;
Kammermusikwerke
wie Klaviersonaten, Variationen, Trios für verschiedene Instrumente , Streichquartette und Quintette, sowie
Vokalwerke
wie Lieder, Kanons und Gesänge. Kein Komponist der klassischen Periode hat, wie W. A. Mozart, alle Stilelemente und Werkformen seiner Zeit in dieser Art und Weise beherrscht und ein derart vielfältiges, qualitativ hochwertiges Gesamtwerk hinterlassen . Arshavsky (2003) versuchte, die neurophysiologischen Grundlagen von Mozarts Genialität zu ergründen und hat einige vorläufige Schlussfolgerungen gezogen, die jedoch wenig erhellend sind. Die von ihm aufgeworfene Frage: »Wie wurde Mozart ein Mozart?« können wir auch auf Darwin übertragen – eine vorläufige Antwort hat der bescheidene Naturforscher in den letzten Sätzen seiner
Autobiographie
gegeben (Originalzitat mit Übersetzung s. Kapitel 4, S. 129). Basierend auf den Erkenntnissen der modernen Biologie können wir schlussfolgern, dass die angeborene Genialität von Darwin und Mozart primär einer zufallsbedingten Kombination günstiger Erbanlagen des jeweiligen Elternpaares zuzuschreiben ist (genetische Rekombination und Keimbahn-Mutationen, s. Kapitel 3). Anschaulich formuliert: Hätte ein anderes (männliches) Spermium eine andere (weibliche) Eizelle befruchtet, so wären nicht diese extrem unwahrscheinlichen, seltenen Zufallsprodukte der Human-Evolution, die auf die Namen »Charles Robert« (Darwin) bzw. »Wolfgang Amadeus« (Mozart) getauft wurden, entstanden. Zufälligerweise waren dann auch noch die Umweltbedingungen (Familienverhältnisse) für die Entwicklung beider Männer günstig, so dass diese ihr genetisches |320| Potential optimal entfalten und ihre
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