Tatsache Evolution
Fäden vereinigten Cyanobakterien die Plankton-Populationen der noch jungen Ozeane unseres Planeten. Daraufhin übernahmen nach und nach die eukaryotischen Mikroben (Protoctista) die lichtdurchfluteten oberen Regionen der Weltmeere (ca. 70 % der Erdoberfläche). Diese gigantischen aquatischen Lebensräume besiedeln sie noch heute, wobei seit |311| vielen Jahrmillionen Cyanobakterien (Reich 1) zahlenmäßig den Protoctisten, wie z. B. den Dinoflagellaten (Reich 2), unterlegen sind (Dominanz der eukaryotischen Plankton-Organismen in den Ozeanen der Erde).
In Abb. 10.6 wurde aus Platzgründen die
natürliche
Selektion
im Mittleren Proterozoikum eingezeichnet. Wie bereits gesagt, ist das »Darwin-Wallace-Ausleseprinzip« jedoch seit dem Ursprung der ersten Zellen bis heute als zentraler Mechanismus der organismischen Evolution wirksam. Bereits auf dem Niveau sich vermehrender Bakterien-Populationen können auf Variations-Selektions-Prozessen basierende Evolutionsvorgänge im Reagenzglas nachgewiesen und quantitativ analysiert werden (experimentelle Evolutionsforschung, s. Kutschera 2008 a). In Freiland-Populationen von Tieren und Pflanzen wurde die Wirkung der natürlichen (und sexuellen) Selektion an vielen Fallbeispielen eindrucksvoll bestätigt (Klingsolver und Pfennig 2007). Diese Fakten müssen bei der Betrachtung der Abb. 10.6 berücksichtigt werden – die natürliche Selektion setzte vor 3800 Mio. J. als richtunggebende Kraft in evolvierenden Populationen urtümlicher Mikroben ein und dauert bis heute an.
Welche Bedeutung kam der
dynamischen Erde
bei der evolutiven Entwicklung der fünf Organismengruppen im Verlauf der Jahrmillionen zu? Basierend auf dem dokumentierten Erdalter von etwa 4600 Mio. J. (s. Kapitel 6) und den u. a. auch geochronologisch untermauerten Geschwindigkeiten der Kontinentalverschiebungen (z. B. das Auseinanderweichen der US-Städte San Francisco und Los Angeles mit ca. 5 cm pro Jahr, s. Kapitel 7) wissen wir, dass sich die Kruste des Planeten seit Jahrmillionen auf dem Erdmantel hin und her bewegt (Nield 2007, Beierkuhnlein 2007). Da sich die Erd(bzw. Kontinental-)-Platten stetig voneinander entfernen, aneinander vorbeigleiten oder aneinanderstoßen, entstanden im Verlauf der Jahrmillionen in Verbindung mit anderen geologischen Prozessen z. B. Gebirge (Himalaja, Schweizer Alpen, Anden), ozeanische Tiefseegräben und vulkanische Inseln (Guo 2008). Diese neuen Lebensräume wurden von Organismen besiedelt bzw. wieder verlassen. Die Bedeutung des Auseinanderbrechens des Ur-Kontinents |312| Pangaea (Beginn vor 251 Mio. J.) und die Konsequenzen für die Evolution der Tiere und Pflanzen wurde bereits dargelegt (Kapitel 7). Es sei ergänzend hervorgehoben, dass auch die »Kambrische Explosion« – eine enorme Biodiversitäts-Zunahme auf dem Niveau hartschaliger Gewebetiere im Zeitraum vor etwa 530 bis 515 Mio. J. – zumindest teilweise auf geologische Prozesse zurückgeführt werden kann. Gemäß der heute recht gut belegten »Schneeball-Erde-Theorie« war unser Planet im Zeitraum vor etwa 700 bis 635 Mio. J. (Neo-Proterozoikum) von Pol zu Pol vereist (Kennedy et al. 2008). Einzellige Ur-Lebewesen überdauerten diese lange Kälteperiode in der Nähe heißer Unterwasser-Vulkanschlöte, die durch Lavaflüsse und somit der Hitze aus dem Erdinneren angetrieben waren. Nach Abschmelzen der Pole setzte vor etwa 540 Mio. J., u. a. auch durch den Anstieg im Sauerstoffgehalt der sich erwärmenden Meere, eine »rasche« Evolution und Diversifikation ein, über deren rekonstruierbare Ursachen weder Darwin (1859/1872) noch die Architekten der Synthetischen Theorie (z. B. Dobzhansky 1937, Mayr 1942) etwas wissen konnten.
Die primär durch Hitzeentwicklung im Erdkern (radioaktiver Zerfall des chemischen Elements Uran) verursachte Platten-Dynamik war auch maßgeblich für die großen Massenaussterbe-Ereignisse im Phanerozoikum verantwortlich. Zumindest das Perm/Trias- und Kreide/Tertiär-Aussterben (s. Abb. 10.6, Pfeile), dem u. a. die letzten Trilobiten und die Dinosaurier zum Opfer gefallen sind, wurden u. a. durch weltweiten |314| Vulkanismus mit verursacht. Kerr (2008) hat geochronologische Daten vorgelegt, die drei große Aussterbe-Ereignisse in der dokumentierten Erdgeschichte mit dem globalen Vulkanismus in Verbindung bringen.
Abb. 10.6: Verlauf der Makroevolution der Organismen der Erde, ausgehend von der chemischen Evolution (Ursprung der Vorläufer = Proto-Zellen vor etwa 3800 Mio. J.). Die
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