Tatsache Evolution
hatte.
In Zusammenarbeit mit dem schwedischen Chemiker Per Teodor Cleve (1840–1905), der für die Entdeckung der Elemente Holmium und Thulium bekannt wurde und sich ab 1898 der Meeres-Planktonkunde zugewandt hatte, reklassifizierte Merezhkowsky als »Ozeanologe« eine Reihe damals bekannter |238| Diatomeen. Grundlage der daraus hervorgegangenen taxonomischen Publikationen waren Merezhkowskys Untersuchungen zur Zahl und lichtmikroskopischen Struktur der Chloroplasten (damalige Bezeichnung: Chromatophoren, s. Abb. 8.2, 8.3 B). Diese feinstrukturellen Studien führten später zur Formulierung der Symbiogenesis-Hypothese.
Im Sommer 1902 kehrte Merezhkowsky nach Russland zurück, um eine Position als Kurator am Zoologischen Museum der Universität von Kazan anzutreten. Im folgenden Jahr wurde er nach Vorlage einer botanischen Dissertation (über die Morphologie der Diatomeen) zum Magister ernannt. Es folgte 1904 die Ernennung zum Privatdozenten für Botanik. Ab 1903 kombinierte Merezhkowsky seine Studien zur Feinstruktur der Diatomeen mit den damaligen Erkenntnissen der Zellbiologie , Symbiose-Forschung und Flechtenkunde. Die Flechten-Symbiosen , bestehend aus einer Pilzart und eingeschlossenen Grünalgen, zeigten dem Naturforscher exemplarisch, dass neue Lebensformen durch Kombination von Einzelorganismen entstehen können.
Die Symbiogenesis-Hypothese und deren Konsequenzen (1905
bis 1912
): Im Jahr 1879 definierte der deutsche Biologe Anton de Bary (1831 – 1888) den Begriff
Symbiose
als »das Zusammenleben artverschiedener Organismen«. In dieser klassischen Begriffsbestimmung umfasst der Term alle Abstufungen vom Parasitismus (ein Partner lebt auf Kosten des anderen, der als Sklave bezeichnet werden kann) bis zum Mutualismus (beide Partner sind gleichberechtigt). Um 1920 hat sich eine moderne Definition durchgesetzt, die noch heute gültig ist: Als Symbiose bezeichnen wir das Zusammenleben zweier artverschiedener Organismen (z. B. Bakterien, die im Darm eines Säugetiers leben), wobei beide Partner hierbei einen Nutzen haben.
Es sei ausdrücklich hervorgehoben, dass der Übergang von der »friedlichen Kooperation« (Mutualismus oder echte Symbiose ) zur »Versklavung« (Parasitismus unter Ausbeutung eines Partners) fließend ist. Bakterien können z. B. zunächst als Mutualisten leben und später zu einem Krankheitserreger werden |239| (Kutschera und Niklas 2005, Kutschera 2007 d, Mardigan und Martinko 2006).
Im Jahr 1905 publizierte C. S. Merezhkowsky seine u. a. auf Forschungsarbeiten anderer Botaniker aufbauende »Chromatophoren-Arbeit «, die als Gründungsschrift zur Endosymbiontentheorie in die Biologiegeschichte eingegangen ist
.
Im
Biologischen
Centralblatt
, Band 25, erschien eine Abhandlung mit dem Titel »Über Natur und Ursprung der Chromatophoren im Pflanzenreiche« (Abb. 8.4), die folgende Kernthesen enthält:
Die derzeitig allgemein akzeptierte Lehrmeinung, Chloroplasten in Pflanzenzellen seien Differenzierungen (d. h. Neubildungen ) des Cytoplasmasaumes, ist falsch.
Chloroplasten sind fremde Organismen, die in das farblose Plasma der Zelle eingedrungen und mit derselben eine Symbiose eingegangen sind.
Plastiden (Chloroplasten) werden von Generation zu Generation über die Gameten der Pflanze (Eier) vererbt (Kontinuität der Chromatophoren).
Cyanobakterien (veraltete Bezeichnungen: Cyanophyceen oder Blaualgen) sind die frei lebenden Vorfahren der Chloroplasten der Pflanzenzelle.
Diese Symbiosentheorie wird durch zahlreiche Fakten unterstützt , während die derzeitige Lehrbuchmeinung eine reine Spekulation ist.
Von seiner Theorie ausgehend ist die Phylogenie der Pflanzenwelt richtig zu verstehen: Eine Pflanzenzelle ist eine Tierzelle mit eingedrungenen Cyanobakterien.
In einem Abschnitt mit dem Titel »Cyanophyceen leben tatsächlich als Symbionten im Zellprotoplasma« führt Merezhkowsky zwei Beispiele an: einen Wurzelfüßer (aquatischer Rhizopode,
Paulinella chromatophora
)
,
in der Cyanophyceen leben (s. Abb. 8.8 A), sowie einen Flagellaten, der ähnliche Eigenschaften aufweist (
Cyanomonas americana
). Es sei darauf hingewiesen, dass »Merezhkowskys Kronzeuge«, die Grünalge
Cyanophora paradoxa
(Abb. 8.8 B), erst zwei Jahre nach dem Tod des Forschers (1923) entdeckt wurde (s. unten).
|240| Im Jahr 1910 folgte in derselben Fachzeitschrift eine erweiterte Fassung von Merezhkowskys Theorie, die in der Fachwelt auch als
Symbiogenesis-Hypothese
bekannt geworden ist. In dieser
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