Tauben im Gras - Koeppen, W: Tauben im Gras
hoffnungsvoll, mit Vertrauen, die leichte Last, den guten Auftrag in der Hand, das musizierende Köfferchen Bahama-Joe mit seinen Klängen, Bahama-Joe mit seinem Musikgeknatter, Stimmgeschnatter, Bahama-Joe mit den gestopften Trompeten, den Drums, den Schellen, dem Gequietsch, Gejaul und dem Rhythmus, der sich ausbreitete und die Mädchen ergriff, die Mädchen, die dachten ›der Nigger, dieser freche Nigger, der greuliche Nigger, nein, ich tät's nichts Bahama-Joe, und andere dachten ›Geld haben die, so viel Geld, ein schwarzer Soldat verdient mehr als ein Oberinspektor bei uns, US-PRIVATE , wir Mädels haben unser Englisch gelernt, Bund deutscher Mädel, kann man einen Neger heiraten? keine Rassengesetzein USA , Verfemung, kein Hotel nimmt einen auf, die halbschwarzen Kinder, Besatzungsbabies, armen Kleinen, wissen nicht wo sie hingehören, können nichts dafür, nein ich täts nicht!‹ Bahama-Joe, Schnörkel des Saxophons. Eine Frau stand vor einem Schuhgeschäft, sie sah im Spiegel der Scheibe den Neger vorübergehen, sie dachte ›die Sandalen mit dem Keilabsatz die würden mir gefallen, wenn man mal könnte, die Burschen haben Körper, Manneskraft, sah mal 'n Boxkampf, Vater war nachher erschöpft, der nicht‹ -Bahama-Joe. Sie gingen vorbei an den Trinkbuden, den Stehausschänken, verboten für alliierte Soldaten, und aus den Holzverschlagen krochen sie hervor, die Schlepper, die Wechsler, die Schnapper: »He, Joe, Dollar? Joe, hast du Benzin? Joe, ein Girl?« Sie saßen schon in den Buden, die Ware, bei Limonade, bei Coca Cola, schlechtem Kaffee, stinkender Brühe, den Bettdunst, den Geruch der Umarmungen von gestern noch nicht abgewaschen, die Hautflecken überpudert, das von Bleiche und Färbung tote Puppenhaar wie gebündeltes Stroh, sie warteten, Geflügel auf Bestellung täglich frisch, blickten durch die Scheiben, was die Schlepper trieben, ob sie winkten, ein Schwarzer, die waren gutmütig, gaben großzügig, gehörte sich so, minderwertige Kerle, zerrissen einem den Unterleib: ›müssen froh sein 'ne weiße Frau zu kriegen, Entwürdigung von uns, schöne widerliche Entwürdigung.‹ »He, Joe, hast du was zu geben?« - »He, Joe, suchst du was zu kaufen?« - »Joe, ich gebe!« - »Joe, ich nehme!« Sie umschwärmten sie: Maden am Speck, käsige Gesichter, hungrige Gesichter, Gesichter, die Gott vergessen hatte, Ratten, Haifische, Hyänen, Lurche, kaum noch mit Menschenhaut getarnt, wattierte Schultern, karierte Jacken, dreckige Trenchcoats, bunte Socken, Wulstsohlen unter den speckigen Wildlederschuhen, Karikaturen einer Revuefilmmode von drüben, arme Schlucker auch, Heimatlose, Verwehte, Opfer des Krieges. Sie wandten sich an Josef, Bahama-Joe: »Braucht dein Nigger deutsches Geld?« - »Wir wechseln deinem Nigger.« -»Will er ficken? Drei Mark für dich. Darfst zugucken, Alter, machst die Musik.« Bahama-Joe, Musik mit ihrem Silberklang. Josef und Odysseus hörten das Gewisper und hörten es nicht. Bahama-Joe: sie ließen die Wisperer stehen, die zischenden Schlangen, Odysseus stieß sie zurück, sanft, gewaltig wie ein Walfisch, drängte sie beiseite, die kleinen mickrigen Gauner, die Pickelgesichter, die Stinknasen, die ausgevögelten Burschen. Josef folgte dem mächtigen Odysseus, watschelte in seinem Sog. Bahama-Joe: sie gingen weiter, gingen an den Neubauten der Kinos UNSTERBLICHE LEIDENSCHAFT GNADENLOS ERGREIFENDES ARZTSCHICKSAL, an den Neubauten der Hotels DACHGARTEN ÜBER DEN RUINEN COCKTAILSTUNDE vorbei, wurden von Kalkstaub berieselt, mit Mörtel beworfen, gingen durch die auf Trümmerfeldern errichteten Ladenstraßen, zur Linken und zur Rechten die ebenerdigen Baracken, blitzend mit Chromleisten, Neonleuchten und Spiegelscheiben: Parfüm aus Paris, Dupont-Nylon, Ananas aus Kalifornien, schottischer Whisky, bunte Zeitungsstände: ZEHN MILLIONEN TONNEN KOHLE FEHLEN . Die Verkehrsampel stand auf Rot und hemmte den Übergang. Straßenbahnen, Automobile, Radfahrer, schwankende Dreiradwagen und schwere amerikanische Heerestrucks strömten über die Kreuzung.
Das rote Licht sperrte vor Emilia den Weg. Sie wollte zum Leihamt, das schloß am Mittag, dann zu Unverlacht, dem Althändler im feuchten Gewölbe, er würde ihr unter den Rock langen, zur jammernden Antiquitätenhändlerin, Frau de Voss, die würde nichts kaufen, wohnte aber nahe bei Unverlacht, und schließlich, sie ahnte es, sie wußte es, die Perlen würden geopfert werden, das geknüpfte mondbleiche Geschmeide, sie mußte zu
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