Taubenjagd: Jimmy Veeders Fiasko
ihn kennenlernte. Nur dass er jetzt über siebzig war. Aber von so einer Kleinigkeit wie dem Alter ließ er sich nicht bremsen.
Vielleicht war er im Alter sogar noch wilder. Wie sagt man noch? Dem Ende näher als dem Anfang. Der Tod kam für ihn nicht gerade überraschend.
Er wusste, er würde nicht wieder heiraten. Er war ein Mann, er hatte seine … Weißt du … Er mochte Frauen immer noch gern. Aber er war nie an Frauen in seinem Alter interessiert.
Ich weiß, du bist einer von diesen sensiblen, politisch korrekten jungen Burschen, aber wir sind in einer Zeit groß geworden, da galt es nicht als Fremdgehen, wenn man mal was mit einer mexikanischen Nutte hatte. Man sagte seiner Frau natürlich nichts davon, aber man hatte auch kein schlechtes Gewissen. Wir machten Witze drüber und nannten es ›einen Taco für zwischendurch‹. Weißt du … ›Komm, wir fahren nach Mexicali auf ein paar Bier und einen Taco für zwischendurch.‹ Jetzt heiraten weiße Leute Mexikaner und Neger
und Chinesen und so, aber damals haben wir anders darüber gedacht. Wir waren keine Rassisten. So war das damals einfach.
Ich wusste es. Dein Vater wusste es. Alle wussten, man konnte am Wochenende bei Morales ein paar braune Schätzchen finden. Mann, Big Jack wohnte direkt gegenüber. Nichts war einfacher. Er brauchte nur die dreißig Meter rüberzulaufen. Ein paar Stunden mit Morales klönen, sich ein paar hinter die Binde gießen … Ich weiß nicht, ob er dir welche von ihren Geschichten erzählt hat, aber die beiden kennen sich auch schon eine Ewigkeit. In den Fünfzigern haben Morales und dein Vater die Gegend unsicher gemacht. Wenn die Sonne unterging und die Señoritas auftauchten, nahm die Natur ihren Lauf.
Dann, so vor drei, vier, fünf Jahren merkte ich, wenn ich da war, dass er nicht mehr auf Abwechslung aus war. Nicht, dass ich eine Mexikanerin von der anderen unterscheiden könnte. Aber immer wenn ich ihn mit einem Mädchen sah, war es dieselbe Mexikanerin … dasselbe Mädchen. Die vergaß man nicht so leicht. Sie war größer als die anderen. Das war diese Yolanda, die umgekommen ist.«
»Sie kannten sie also«, sagte ich.
»Als ich sie im Genesungsheim sah, habe ich sie sofort wiedererkannt«, sagte er. »Ich hab ihr nie über den Weg getraut. Soweit ich das beurteilen konnte, war sie genau wie die anderen Mexikanerinnen. Ich ging davon aus, dass sie versuchte, ins Land zu kommen … um sich den mexikanischen Traum zu erfüllen. Der mexikanische Traum ist der gleiche wie der amerikanische Traum, aber man muss erst aus Mexiko rauskommen.
Vielleicht war es ihr Alter. Vielleicht war es etwas, das ich nicht sehen konnte. Ich meine, sie sah deiner Mutter natürlich kein bisschen ähnlich. Aber wie sich Jack verhielt … Genauso wie damals, als Barbara noch lebte. Durch sie wurde er ruhiger.
Ich konnte mir nicht vorstellen, was sie davon hatte, außer Geld. Natürlich bezahlte er sie, aber das war nicht genug, um sich Loyalität zu erkaufen. Und die bekam er von ihr. Ich hab sie bei Morales tatsächlich nie mit einem anderen Mann gesehen. Entweder hat er sie mit Geld überschüttet oder sie hat nichts gegessen.
Dann wurde sie schwanger. Gibt es eine einfachere Möglichkeit, sich jemanden zu angeln? Verdammt, aus dem Grund habe ich damals auch geheiratet. Woher ich weiß, dass er sie geschwängert hat? Dein Vater hat’s mir selbst erzählt. Ich war ja schließlich sein bester Freund. Bin ich immer noch, was mich betrifft. Zuerst dachte ich an eine Finte. War es überhaupt seines? Warum sollte ich ihr trauen? Und was macht er? Das Einzige, was er machen konnte. Er hat sie weggeschickt.«
Ich rutschte auf meinem Stuhl herum und sah das Bild meines Vaters verblassen wie ein Foto in praller Sonne.
»Was sollte ein alter Mann mit einer mexikanischen Nutte und einem Kind? Er hat jeden Kontakt abgebrochen. Mexikanerinnen kriegen Kinder wie sexbesessene Karnickel. Was machte da schon eines mehr aus? Dein Vater wusste, er konnte es nicht noch mal. Durchstehen, was er mit dir durchgestanden hat. Er würde sie nicht heiraten und er würde das Kind nicht großziehen. Deshalb war es am besten, ihr klipp und klar zu verstehen zu geben, dass sie keinen Platz mehr in seinem Leben hatte.
Sie hat keine Szene gemacht, das muss ich ihr lassen. Sie hat es gut aufgenommen. Sie hat nicht um Geld gebeten. Sie hat nicht geschrien oder einen Wutanfall bekommen. Und das war’s. Sie sind getrennte Wege gegangen. Kein böses Blut. Sie war
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