Taubenjagd: Jimmy Veeders Fiasko
schlägt gern zu.«
»Junge«, sagte Red, »die schlagen alle gern zu.«
In Reds Haus war es wie in einem Kühlhaus und die umgewälzte Luft war zugleich kalt und abgestanden. Es roch nach Rinderbrühe und verwelkten Blumen. Er führte mich in ein kleines Arbeitszimmer. Es sah nicht aus, als würde er es oft benutzen. Das Einzige, was auf dem Schreibtisch lag, war ein angefangenes Kreuzworträtsel. Ich setzte mich auf einen Klappstuhl vor dem Schreibtisch, und Red ließ sich auf einen abgewetzten, braunen Lederstuhl dahinter fallen.
»Also was meinst du, was ich dir erzählen werde?«, fragte Red.
»Ich muss wissen, was Sie meinem Vater gebracht haben, als ich Sie gesehen habe. Was wollte er von Ihnen?«
Er sagte nichts. Auch sein Gesicht verriet nichts. Mit dem Typ hätte ich nicht gern gepokert.
»Ich glaube, dass deswegen ein Mensch sterben musste«, sagte ich.
Darauf zeigte er eine Reaktion, aber keine sehr starke. Er nahm seine Pfeife in die Hand und reinigte den Kopf mit einem kleinen Taschenmesser. »Ich habe das von der Hure gehört. Was für eine Schande. Habe gehört, es war ein Unfall.«
»Ich weiß nicht, wo sie das gehört haben, aber ich habe die Leiche gesehen. Ich habe sie aus dem Wasser gezogen. Niemals war das ein Unfall. Yolanda, so hieß sie. Die Hure. Sie wurde ermordet. Egal, ob der Fall zu den Akten gelegt wird. Das ist nur Scheißpolitik. Ich rede von der Wahrheit. Jemand hat sie umgebracht.«
Er nickte. »Und was hat das mit dir zu tun? Oder mit mir?«
»Sie haben meinem Vater irgendwas gebracht und der hat es Yolanda gegeben. Davon bin ich überzeugt. Was es auch war, deswegen musste sie sterben. Sie verheimlichen mir etwas. Sie bewahren das Geheimnis eines Toten. Ich frage mich, was Sie sonst noch verheimlichen. Wie ich schon gesagt habe, weiß ich über den Jungen Bescheid. Ist da sonst noch was?«
»Ich bewahre das Geheimnis eines Toten, weil der Tote mich darum gebeten hat. Seine Geheimnisse hat er mit ins Grab genommen.
Wenn er nicht wollte, dass du’s erfährst, dann solltest du es dabei belassen.«
»Eins seiner Geheimnisse ist schon gelüftet. Wenn mein Vater noch einen Sohn hatte, dann ändert das Einiges.«
Red klopfte mit der Pfeife gegen den Rand seines Papierkorbs und musterte sie. »Hör zu, ich verstehe es ja. Du hast das Mädchen tot aufgefunden. Du fühlst dich verantwortlich. Das ehrt dich, auch wenn es blöd ist. Du bist aber nicht dafür verantwortlich. Es ist nur ein unglücklicher Zufall. Und was den Jungen angeht, damit hast du noch weniger zu tun.«
»Sie wussten also Bescheid.«
Er blies in den Pfeifenstiel.
»Sie wollen es mir nicht sagen?«, fragte ich.
»Genau. Ich werde es dir nicht sagen. Mein Wort gilt noch etwas.«
Ich zerbrach mir den Kopf über meinen nächsten Zug.
Red fuhr fort. »Du darfst nicht vergessen, dass ich deinen Vater länger kannte als du. Wir haben viel gemeinsam durchgemacht. Ich habe unserer Freundschaft mehr zu verdanken, als du dir vorstellen kannst. Du bist sein Fleisch und Blut, aber für mich war er das auch auf eine Art. Wenn dein Vater dir seine Geheimnisse hätte anvertrauen wollen, dann hätte er’s getan. Warum kannst du seine Entscheidung nicht respektieren? Du kannst doch nichts ändern.«
Das tat weh. Denn in manchem hatte er recht. Pop erzählte gern Geschichten. Ich kannte viele seiner wahren und ausgeschmückten Geschichten, aber die hatten jede Menge Lücken. Sie waren eher zotig, nicht sehr persönlich. Ich grub an einer Stelle, von der Pop mich absichtlich und mit Erfolg ferngehalten hatte. Pop wollte vor seinem Tod sein Verhältnis zu Yolanda klären. Nur dass er davon ausgegangen war, dass Yolanda sich mit ihrem Sohn so schnell wie möglich aufmachen würde. Dass sie sicher und glücklich in Guadalajara wäre und nicht tot am Grund eines Wassertanks enden würde und ihr Sohn verwaist.
Red kannte Pops Geheimnisse und alles, was mir blieb, waren Geschichten.
»Ist Ihre Frau da?«, fragte ich.
»Sie ist hinten im Garten und pflegt ihre Rosen oder Wicken oder irgendwas. Willst du hallo sagen? Sie würde sich freuen, dich zu sehen.«
»Ich kenne nicht alle Geheimnisse meines Vaters, aber ein paar schon. Ich bin vielleicht nie nach Hause gekommen, aber Pop und ich haben telefoniert und uns geschrieben.«
Red lachte. »Du willst mir also die Daumenschrauben anlegen, was? Hast du irgendwas gegen mich in der Hand? Willst du mich erpressen? Ehrlich, in meinen langen Jahren habe ich noch nie jemanden so
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