Taubenjagd: Jimmy Veeders Fiasko
folgte ihm und wir zerrten Alejandro unter die Tamarisken.
»Jetzt kannst du dich vom Acker machen«, sagte ich zu Bobby.
»Was?«
»Ich kann das nicht von dir verlangen«, sagte ich.
»Du weißt doch nicht mal, was du jetzt tun sollst.«
Er hatte recht. Ich wusste es wirklich nicht.
»Deswegen muss ich hier bleiben«, sagte Bobby. »Wir haben die Sache zusammen angefangen. Egal was passiert, wir ziehen das
auch zusammen durch. Ist mir scheißegal, ob du das anders siehst.«
Es kostete einige Mühe, aber schließlich schafften wir es, Alejandro hinten auf das Quad zu bugsieren. Nur gut, dass er nicht zu schwer war und sein Komfort uns nicht sonderlich am Herzen lag. Mit ausreichend Bindedraht und Isolierband schafft man einfach alles. Wir behandelten ihn wie ein Frachtstück und legten ihn über die Hinterachse. Er würde während der Fahrt seinen Hals ein bisschen anspannen müssen, weil sonst ein Reifen an seinem Gesicht entlangschaben würde.
Ich nahm das Quad, Bobby das Motorrad, und wir fuhren zurück zum Parkplatz, wo Bobbys Ranchero stand. Wir orientierten uns an den Sternen oder versuchten es zumindest. Ich machte mir Gedanken über die Lage und wie es weitergehen sollte. Aber so angestrengt ich auch nachdachte, mir fiel keine Lösung ein.
Zirka auf halber Strecke fuhr ich in ein ausgetrocknetes Bachbett und hielt an. Nach fünfzig Metern drehte sich Bobby um und sah, dass ich angehalten hatte. Er kam zurück zu mir gefahren und machte seinen Motor aus. Die Stille der Wüste stand im krassen Gegensatz zum Lärm der Oase und der Fahrzeuge.
»Versuchst du, mich loszuwerden?«, fragte er.
»An dich habe ich gar nicht gedacht. Ich weiß einfach nicht, was jetzt werden soll«, sagte ich.
»Immer hingerotzt, aber niemals halbe Sachen, Alter.« Bobby versuchte zu lächeln.
»Das Veeder-Gelöbnis«, sagte ich betrübt.
Wir entfernten das Klebeband und den Draht, mit denen Alejandro am Quad festgeschnürt war. Eine seiner Wangen war ganz schwarz, wo der Reifen sie gestreift hatte. Bobby und ich zerrten ihn vom Quad. Ich sah keine Notwendigkeit mehr für den Knebel. Es war niemand in der Nähe, der etwas hätte hören können oder sich drum geschert hätte. Ich nahm die Socke aus seinem Mund. Sie war mit rosa Flüssigkeit getränkt.
Auf den Knien, die Hände immer noch auf dem Rücken gefesselt, sah er hoch zu mir und Bobby. Sein Gesicht war zerkratzt und blutig und in den nässenden, dunkelroten Wunden klebte Sand.
Sein Hemd war vorne total zerfleddert und seine zerschrammte Brust entblößt.
Mit jedem anderen hätte ich Mitleid empfunden. Aber Alejandro weckte solche Gefühle einfach nicht in seinen Mitmenschen.
»Ihr Scheißkerle! Ihr seid beide tot, ihr Scheißkerle!!«, fauchte Alejandro und bestätigte damit nur meine Meinung. Ich trat ihn in den Magen. Er krümmte sich und würgte gelbe Brühe hervor.
Ich beugte mich über ihn. »Was anderes fällt dir nicht ein, als uns zu drohen? Du blödes Arschloch, du bist hier nicht in irgendeinem Film. Es ist kein Mensch da, den du beeindrucken musst. Wir reden jetzt mal miteinander.«
»Fick dich«, entgegnete er. Ich trat ihm noch mal in den Magen.
Ich sah Bobby an.
Er zuckte mit den Schultern. »Du machst das ganz gut.«
Ich sagte: »Wir lassen dich laufen, aber zu meinen Bedingungen.«
Bobby warf mir einen Blick zu.
Alejandro spuckte auf den Boden und machte den Mund auf, um etwas zu sagen, ließ es dann aber. Immerhin ein Anfang.
Ich erklärte es ihm. »Du kannst nicht zurück nach Mexicali, das ist dir ja wohl klar. Du kannst dich nicht mal in der Nähe rumtreiben, denn Tomás sucht nach dir. Das kommt mir auch ganz gelegen, denn wie es aussieht, werde ich hier unten bleiben. Nach dieser Nacht will ich dich nicht mehr sehen. Das Imperial Valley ist mein Revier. Der Rest gehört dir. Meinetwegen die ganze verfickte Welt.
Ich versuche, eine Lösung zu finden. Wenn Tomás will, findet er dich und bringt dich um. Nur eine Frage der Zeit, das weißt du auch. Wer weiß, wie weit seine Beziehungen reichen? Ich kann ihm sagen, er soll dich in Ruhe lassen. Er hört auf mich. Wenn er überzeugt ist, dass du keine Gefahr mehr darstellst, dann hört er auf mich. Ein einmaliges Angebot, hier und jetzt. Ich biete dir einen Ausweg. Ich muss nur sicher sein, dass dieser ganze Mist ein Ende hat.«
Alejandro reckte seinen Hals hin und her, bis es knackte. »Ich kann gehen?«
»Ja.«
Alejandro sah Bobby an. »Einfach so? Ich gehe zu Fuß durch die Wüste,
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