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Taubenjagd: Jimmy Veeders Fiasko

Taubenjagd: Jimmy Veeders Fiasko

Titel: Taubenjagd: Jimmy Veeders Fiasko Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shaw Johnny
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auch er langsamer. Wenn ich schneller wurde, wurde auch er schneller. Bobby blieb immer an meiner Seite, ganz gleich, was war.
    Während wir über die Spitze einer Düne fuhren und auf die Sandhügel im Sternenlicht hinaussahen, versuchte ich, mir einzureden, ich wäre auf einem fremden Planeten. Auf einem Planeten, wo es nichts als Sand gab, wie in den Filmen, die hier draußen gedreht wurden. Auf einem Planeten, wo alles anders war. Denn auf der Erde hatte ich zwei Menschen getötet. Ich war um die ganze Welt gereist, aber erst als ich wieder nach Hause kam, mussten Menschen durch meine Hand sterben.
    Es dauerte eine Minute, bis ich Pops Gesicht wieder richtig vor mir sehen konnte. Es ist schon erstaunlich, wie schnell die Erinnerung an Altgewohntes verblasst. Ich war froh, dass der alte, lachende Big Jack vor meinem geistigen Auge erschien und nicht sein von Krankheit gezeichnetes Gesicht. Der große Lacher. Ich musste unvermittelt
lächeln, als ich daran dachte. Was hatte er noch gesagt? Man kann einem Menschen nicht das Leben retten. Man kann nur seinen Tod hinauszögern. Oder beschleunigen.
    Dann machte sich plötzlich die Erinnerung an Yolanda breit. Doch leider war es das Bild ihrer Leiche am Grund des Wassertanks. Alejandro hatte ihr Leben viel zu früh beendet. Für nichts und wieder nichts. Ohne Grund. Schon deshalb erzeugte meine Tat in mir kaum Schuldgefühle. Er hatte ein Leben ausgelöscht, und diese Tat wirkte sich auch auf Juans Leben aus. Ich hatte ihm das genommen, was er ihr genommen hatte. So einfach war das.
    Jetzt wollte ich versuchen, den Verlust wettzumachen, indem ich für Juan sorgte. Es ging dabei nicht um Verantwortung. Mich davor zu drücken, fiel mir nicht schwer. Ich tat es nicht aus Pflichtbewusstsein. Immerhin war es Pops Fehltritt und nicht meiner. Ich wollte einfach Gutes tun. Wenn ich mir Mühe gäbe, dann hätte Juan eine Chance. Ein Leben. Er hätte Möglichkeiten. Nach dieser ganzen Scheiße war das das Mindeste. Ich konnte die Welt nicht retten, weil mir die Welt scheißegal war. Aber es gab ein paar Leute, die mir nicht scheißegal waren, und zu denen gehörte jetzt auch Juan.
    In der Ferne wurde im Licht der Sterne ein Gebilde mit glatter Oberfläche sichtbar. Etwas Rechteckiges, das nicht so recht in den Wüstensand passen wollte. Normalerweise sah man in den Dünen keine scharfen Kanten. Blinzelnd versuchte ich zu erkennen, was es war.
    Ich sah Bobby an und sagte: »Sieht das für dich wie ein Fort aus?«
    Aber er deutete auf sein Ohr, weil er mich wegen der Motorengeräusche nicht verstehen konnte. Als ich mich umdrehte, konnte ich das Gebilde nicht mehr sehen. Auch gut. Manche Dinge gehören einfach verschüttet.
    Wie ein guter Freund behält die Wüste Geheimnisse für sich.

Sechsundzwanzig
    Der Duft von nassem Grün erfüllte die Luft. Die Luzernen rochen angenehm süß.
    Ich lief die ganzen achthundert Meter durch die Pflanzreihe, um die etwa acht Zentimeter hohen Pflanzen auf dem Acker zu begutachten. Der Wuchs war gleichmäßig ohne dünne Stellen. Bis zum nächsten Mähen war es noch eine Weile, aber ich versuchte, mich ganz meiner neuen Aufgabe zu widmen. Ich hatte noch keine richtige Routine als Farmer und bisweilen das Gefühl, meine Pflanzen beschützen zu müssen. Ich wollte sie verhätscheln, obwohl sie eigentlich nur Zeit zum Wachsen brauchten. Mir war noch nicht ganz wohl dabei, mich als Farmer zu bezeichnen, aber ich arbeitete nun mal auf einer Farm und konnte mir vorstellen, das noch eine Weile zu machen.
    Dies war seit meiner Rückkehr der erste Tag unter dreißig Grad. Das Imperial Valley hatte den Herbst übersprungen, um dem Winter entgegenzueilen. Die heißen, drückenden, durchgeknallten Tage waren vorbei. Endlich brachte uns die Wüste das Klima, weswegen die Wintergäste aus dem Norden herkamen.
    Als ich so übers Feld lief, den Heugeruch einatmete und die Sonne spürte, konnte ich mir nicht vorstellen, irgendwo anders zu leben. Es war ein seltsames Gefühl. Ich wollte dort sein. Ich wollte das alles durchziehen.
    Ich ging zu meinem Pick-up zurück. Meinem Scheiß-Mazda, den ich in Mexicali hatte zurücklassen müssen. In einer beängstigenden Machtdemonstration hatte Tomás ihn aus einer Werkstatt gerettet, wo geklaute Autos ausgeschlachtet werden. Als ich den Wagen in meiner Einfahrt sah, lief es mir eiskalt den Rücken hinunter. Der Schalthebel war durch einen in Kunstharz eingegossenen Skorpion ersetzt worden und auf das Armaturenbrett war

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