Taubenjagd: Jimmy Veeders Fiasko
Zukünftige ranmacht, die er erst eine halbe Stunde vorher kennengelernt hat. Vielleicht fällt ein Salatmesser aus einem Stiefel, dann wird vielleicht ein Billardqueue auf einem Schädel zerschlagen und vielleicht ist es kein Spaß mehr und es sind sechs gegen einen und die einzige Chance, hier lebend rauszukommen, ist, seine schicke Frisur zu vergessen und kreativ zu werden.«
»Das hört sich nicht gut an.«
»Ich habe aus Versehen Mr. Morales’ Billardtisch angezündet.«
»Aus Versehen? Wie kann denn so was passieren?«
Bobby zuckte mit den Schultern, fast peinlich berührt. »Ich hatte eine Flasche extrastarken Bacardi in der Hand. Hab sie diesem Typ auf dem Schädel zerdeppert. Der hatte wohl gerade eine Zigarette im Mund, denn plötzlich stand er in Flammen. Der Billardtisch hat etwas Rum abgekriegt und das Tuch hat sich vollgesogen. Dann ist die menschliche Fackel auf den Tisch gefallen
und … wuhsch! Der ganze Laden war plötzlich voller Rauch. Es ist alles so schnell passiert.«
Bobby nahm einen großen Schluck und leerte damit Flasche Nummer eins. »Mr. Morales kann mir nicht wirklich Vorwürfe machen. Es war Selbstverteidigung. Ich habe ihm Geld für den Tisch geschickt, aber er hat wahrscheinlich Riesenstunk mit den Bullen gekriegt. Zu meiner Hütte sind die nie gekommen, daher weiß ich, dass er meinen Namen nicht genannt hat.«
»Hast du dich dafür je bei Mr. Morales bedankt?«
»Ich hatte Angst, er würde mich abknallen. Er hat nämlich eine Schrotflinte hinter der Theke.«
»Ja, er hat gesagt, ich soll dich dran erinnern.«
»Und nicht mit Steinsalz geladen. Morales macht keine halben Sachen.« Er nickte ganz ernst, als würde er mir einen guten Rat geben.
Wir saßen da und tranken unser Bier. Ich zündete mir eine Zigarette an und sah zur Wellblechdecke über dem Billardtisch. In der Tat verunstaltete ein schwarzes Rorschachmuster das Metall.
Bobby rülpste und starrte auf seine leere Flasche. »Was ich sagen wollte: Wir müssen mit Tomás sprechen. Ich weiß nicht, ob er immer noch die Mädchen besorgt, aber er hat Verbindungen. Er weiß sicher, wo die Ladys herkommen. Mr. Morales weiß nicht, wo sie herkommen, aber er weiß, wo Tomás steckt, richtig?«
Ich nickte. »Okay, ich sage dir jetzt, was du tust. Du entschuldigst dich bei Mr. Morales und dann denkst du dir irgendeine Geschichte aus und versuchst rauszufinden, wo Tomás ist.«
»Warum denn ich? Frag du ihn doch!«
»Er wir dich schon nicht erschießen. Zumindest nicht, solange ich hier bin. Bring die Sache in Ordnung. Rede mit ihm und versuch, mehr über Tomás rauszufinden.«
Bobby starrte mich an und suchte nach einer guten Ausrede. Aber ihm fiel keine ein und er stand auf.
»Und bring noch ein paar Bier mit.« Ich lehnte mich in meinem Stuhl zurück, lächelte in mich hinein und spreizte den kleinen Finger ab, als ich meine Flasche leerte.
Bobby ging zur Theke. Ich zündete mir eine Zigarette an und sah zu. Bobby stand an einem Ende und wartete mit gesenktem Kopf auf Mr. Morales. Er wollte ihm wohl Zeit lassen und rief ihn nicht rüber.
Ich hatte jahrelang gar nicht mehr an Tomás Morales gedacht. Wir hatten uns aus den Augen verloren, aber als wir Kinder waren, gab es eine Zeit, vielleicht vier, fünf Jahre, da war er für mich wie ein kleiner Bruder. Er war bei seinem Großvater aufgewachsen. Aber da Mr. Morales sich um die Bar kümmern musste, spielte Tomás meistens draußen. Wenn ich nicht gerade irgendwelche Arbeiten für Pop zu erledigen hatte, ging ich über die Straße und wir hingen zusammen ab. Wir spielten Ball, ich half ihm, eine Rampe für sein Fahrrad zu bauen und so. Ich brachte ihm Schach und Pokern bei, aber als er anfing, mir peinlich zu werden, spielten wir nicht mehr miteinander.
Er war kein gewöhnlicher Junge. Einen mexikanischen Nerd trifft man im Imperial Valley nicht alle Tage. Wenn man ihn mit acht, neun Jahren fragte, was er einmal werden wollte, dann sagte er »Geschäftsmann«. Er schleppte sogar eine alte Aktentasche mit sich herum. Ich weiß nicht, wo er sie gefunden hatte, aber er hatte sie immer dabei. Zu Hause, in der Schule, in der Kirche, immer. Das Einzige, was er darin aufbewahrte, war eine alte Ausgabe des Wall Street Journal , das in der Bar liegen geblieben war, aber es verkörperte seine Träume. So wie mein Fahrrad meine verkörperte, nachdem ich es in den Farben von Evel Knievels Motorrad angestrichen hatte.
Ich bemühte mich, auf Tomás aufzupassen, da ich wusste,
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