Taubenjagd: Jimmy Veeders Fiasko
wissen ja, wie sie mit Vornamen heißt. Kinderspiel.«
Wir liefen die Auffahrt entlang und zur Bar auf der anderen Straßenseite. Bobby stieß mich an. »Was hast du früher immer gesagt? Immer hingerotzt, aber niemals halbe Sachen, richtig?«
»Das ist das Veeder-Gelöbnis.«
Wir gingen über die Straße zu dem ungepflasterten Parkplatz direkt neben der Morales Bar. Auf jedem freien Fleck standen Pick-ups herum – Ford, Chevrolet und Dodge –, ohne eine erkennbare Ordnung. Morales war eine Bar für Feldarbeiter, ohne Namensschild, nur Leuchtreklame für cerveza in den verdunkelten Fenstern. Hinter der Bar führte der Ash-Kanal an einem Pferch vorbei, der eine Zeit lang als Hahnenkampfarena gedient hatte und dann ganz aufgegeben wurde. Zur einen Seite waren Salatfelder, auf der anderen Seite säumten ein paar Tamarisken die Straße. Einst als Windschutz gepflanzt, ließen ihre herabfallenden sauren Nadeln jetzt die darunter abgestellten herrenlosen Autos rosten.
Am Eingang stoben ein paar verwahrloste Hühner auseinander, die dort ein Nickerchen halten wollten. Ich griff nach der Türklinke, aber Bobby hielt die Tür zu.
Er sagte: »Was ich noch vergessen habe: Letztes Mal, als ich hier war, gab’s Ärger.«
»Ärger?«, fragte ich, obwohl ich’s lieber gar nicht wissen wollte. Meine Hand fiel von der Türklinke.
»Nur ein bisschen.« Bobby zuckte mit den Schultern.
»Wie lange ist das her?«
»Lange. Drei, vier Jahre vielleicht. Seitdem war ich nicht mehr hier.«
»Das ist aber ziemlich lange. Meinst du wirklich, irgendjemand weiß das noch oder interessiert sich dafür?«
»Es war ziemlich großer Ärger.« Bobby schaute drein wie ein Siebenjähriger, der beim Schokoladeklauen erwischt wurde. »Ich will mich ja nicht drücken. Ich gehe da mit rein. Ich dachte nur, ich sage dir besser Bescheid.«
Bobby griff an mir vorbei zur Klinke und öffnete die wacklige Sperrholztür ganz sachte, damit sie nicht aus den Angeln fiel.
Drinnen war es genauso heiß wie draußen, nur dass die Luft hier abgestanden, tot und verqualmt war. Die ganze Bar roch nach Kater: Alkoholschweiß, Zigarettenasche und schalem Bier.
Im Film wäre in diesem Moment die Musik verstummt und alle hätten uns angestarrt. Ein über eins neunzig großer Langhaariger und ein mexikanisch aussehender Typ mit weißer Schmalzlocke betreten die taffe Bar in der Wüste. Aber zu unserem Glück gehen die Leute im richtigen Leben in richtige Bars, um einen zu trinken, und scheren sich einen Dreck darum, wer reinkommt. Wir wurden keines Blickes gewürdigt. Die extreme Gleichgültigkeit von Besoffenen und Leuten, die es werden wollen, hat auf jeden Fall etwas für sich.
Im ganzen Laden gab es keine einzige Frau. Nicht mal einen leicht feminin wirkenden Typen auf einem Barhocker. An ein paar Tischen verteilt saßen zwei Dutzend Mexikaner, die Stiefel noch voller Schlamm, spielten Karten und tranken. Ihr Grölen und Lachen übertönte die Banda -Melodie, die aus der Musikbox plärrte. Hinten sah man ein paar weiße Gesichter, ganz unter sich, wahrscheinlich, weil sie noch minderjährig waren. Mit ihren Baseballjacken und schicken Haarschnitten sahen sie aus wie Schüler. Wahrscheinlich die Brüder oder sogar die Söhne der Typen, mit denen ich in meinen Highschool-Tagen hierher gekommen war. Manche Traditionen sterben einfach nie aus.
Bobby fand einen Tisch direkt neben dem unbenutzten Billardtisch. Er setzte sich auf einen Stuhl an der Wand und wischte mit dem Vorderarm den ganzen Tisch leer. Er nickte mir zu, hielt zwei Finger hoch und zog dann in dem lächerlichen Versuch, nicht aufzufallen, den Kopf ein.
Ein Gesicht erkannte ich, das von Mr. Morales. Ich hatte mich äußerlich wahrscheinlich vollkommen verändert, aber er sah genauso aus wie früher. Der kleine, kräftige Mann mit seinen massiven Vorderarmen und dem aufgedunsenen Oberkörper war gebaut wie ein Ölfass. Ein buschiger Schnauzbart und tiefe Furchen prägten seine Gesichtslandschaft. Ich hatte ihn noch nie lächeln sehen. Aber ich hatte ihn auch noch nie wütend gesehen. Er war ein guter
Nachbar, den ich seit meiner Kindheit kannte. Ich kann mich noch erinnern, wie ich immer über die Straße lief, um für einen Vierteldollar plus Pfand eine Flasche 7UP zu kaufen. Mr. Morales rieb immer Salz auf den Flaschenrand, eine kleine Geste, die ich erst im Nachhinein zu schätzen wusste.
Die Morales Bar hatte kein Fassbier. Mr. Morales kaufte Bierkästen in Mexicali und verkaufte das
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