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Taubenjagd: Jimmy Veeders Fiasko

Taubenjagd: Jimmy Veeders Fiasko

Titel: Taubenjagd: Jimmy Veeders Fiasko Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shaw Johnny
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Für den Sekundenbruchteil, den sie brauchte, um den Wagen wieder auf die Straße zu lenken, sah sie nach vorn. Dann glotzte sie wieder mich an.
    Ich nickte.
    »Warum passieren immer dir solche Sachen?«
    »Mir passieren nicht immer solche Sachen. So was ist mir noch nie passiert. Moment mal. Was ist den gestern Abend passiert, worüber du unbedingt reden wolltest?«
    »Wer war der Tote? Weißt du das?«
    »Es war Yolanda. Das Mädchen, das ich zu Pop gebracht habe.«
    »Mein Gott, die? Die war doch noch so jung. Was ist denn passiert?«
    »Ich kann dir nur erzählen, was ich weiß, und das ist nicht viel.«
    Als ich mit meiner Schilderung der unglücklichen Ereignisse des Morgens fertig war, waren wir auch schon beim Genesungsheim Harris angekommen. Sie parkte ihren Pick-up und starrte vor sich hin, die Hände bei zwei Uhr und zehn Uhr auf dem Lenker.
    »So eine Schande«, war ihr abschließendes Urteil. »So eine verdammte Schande.«
    Angie wollte mir unbedingt helfen. Pops Sachen einzupacken. Obwohl wir beide wussten, dass es auch einer allein geschafft hätte. Sie packte die Bücher langsam und vorsichtig in Kisten, wobei sie jeden Titel las und ab und zu ein Buch durchblätterte. Ich kümmerte mich um die persönlichen Gegenstände, von denen es kaum welche gab. Wir arbeiteten, ohne etwas zu sagen.
    Die abgezogenen Kissen auf dem nackten Bett brachten Pops letzte Augenblicke wieder zurück. Als ich versuchte, die Gedanken daran abzuschütteln, fiel mir ein, dass ein Gesprächsfaden noch nicht zu Ende gesponnen war.
    »Angie? Was ist gestern Abend passiert? War da etwas, worüber wir reden sollten?«
    »Du weißt es nicht mehr?«
    »Ich hab doch gesagt, ich weiß nichts mehr. Ich habe einen Filmriss von dem Moment an, wo ich die Bar betreten habe.«
    »Rate doch mal«, sagte sie und neigte neckisch den Kopf zur Seite.
    Ach, du Scheiße, dachte ich. »Ach, du Scheiße!«, sagte ich.
    »Nein«, sagte sie. »Wenn das passiert wäre, könntest du dich dran erinnern, das glaubst du ja wohl.«
    »Was dann?«
    »Du hast mich geküsst.«
    »Ehrlich? Bist du sicher?«
    »Wir waren in der Bar und redeten schon eine halbe Stunde. Wir standen bei der Hintertür. Du warst sternhagelvoll, aber auch irgendwie lieb. Ich redete über mein Leben, meine Arbeit oder
irgend so einen Kram und war gerade mitten im Satz, da hast du dich vorgebeugt und mich geküsst.«
    »Ich war betrunken. Du hast selbst gesagt, ich war sternhagelvoll. «
    »Ja, stimmt.« Sie zögerte und sah mich an. »Aber ich nicht. Und ich habe deinen Kuss erwidert.«
    »Oh«, war alles, was mir einfiel.
    »Wenn man die Alkoholfahne und den Zigarettengeruch außer Acht lässt, war’s eigentlich ganz nett«, sagte Angie. »Es hatte was. Was Intimes. Ich weiß, es war ein Kuss und Küsse sind meistens intim, aber dieser ... der war einfach intim. Es war, als hätte es so kommen sollen.«
    Ich sagte: »Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Alles, was mir einfällt, würde sich blöd anhören. Ich will ja was sagen, aber ich will das Richtige sagen. Ich will nichts Falsches sagen. Ich weiß, ich höre mich an wie ein kleines Kind, aber ich bin auch nur ein Kind und sage Dummheiten. Außerdem mache ich immer Dummheiten. Andauernd. Falls es ein Anfang ist, will ich ihn nicht vermasseln.«
    »Ja, ich auch nicht.« Dann packte sie weiter Bücher in Kisten.
    »Ist es ein Anfang?«
    »Vielleicht.«
    »Ich sag jetzt nichts mehr. Du musst nur wissen, dass ich nicht deshalb nichts sage, weil mir die Situation unangenehm wäre, sondern weil ich den Punkt, an dem wir uns befinden, als sehr angenehm empfinde. Und ich möchte, dass es eine Weile so bleibt. Zumindest, bis ich irgendwas Dummes sage.«
    »Das kann ja nicht allzu lange dauern«, sagte Angie mit einem Grinsen.
    »Eben.«
    Die ganze Zeit im Genesungsheim und während der gesamten Heimfahrt widerstand ich der Versuchung, etwas zu Angie zu sagen. Aber schließlich sprach sie.
    Als ich ausstieg, fragte sie: »Meinst du, man wird ihre Angehörigen finden?«
    »Daran habe ich auch gedacht.«
    Sie sah geradeaus durch die Windschutzscheibe, ihren Blick auf die Wasserpumpe und das gelbe Absperrband drum herum gerichtet.
    »Sie sollten es erfahren. Ihre Angehörigen sollten es erfahren«, sagte sie.
    »Ich kenne ein paar Leute, die sie kannten. Leute, die mit dem Sheriff und dem Coroner nicht sprechen werden. Leute in Mexiko, die keine Cops mögen. Mit denen rede ich. Vielleicht kann ich ja ihre Familie finden.«
    »Kann ich

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