Taubenkrieg
will. Dazu gackerte er albern. »Hot Chicken! Sie muss ein Hot Chicken sein!«
Boris versuchte, die Situation zu retten, auch wenn Wencke noch keinen akuten Hilferuf hatte verlauten lassen. »Die Prostituierten kommen so in den, na ja, in den Genuss, unter dem Schutz der
Devil Doves
zu stehen. Der angenähte Sticker wird die Freier oder konkurrierenden Zuhälter davon abhalten, ihnen Schaden zuzufügen.«
»Dann ist das also die wahrscheinlich teuerste Lebensversicherung der Welt?«, kommentierte Wencke und brachte Kalle damit einmal mehr zum Lachen. Kein Zweifel, sie hatte diesen ausgelaugten Altrocker ein bisschen zum Leben erweckt. Eine enorme Erleichterung, dachte Boris, Kalle war eigentlich als Stinkstiefel verschrien, ein eher sperriger V-Mann . Wenn sie ihn für sich gewinnen konnte, stand sie immerhin nicht ganz allein da, sobald dieses Meeting beendet war und sie sich in eine Parallelwelt begab, in der es wichtig war, jemanden an der Seite zu haben.
»Es ist jetzt, glaube ich, Zeit, dass wir uns um den ganzen Technik-Kram kümmern. Wilkens und Fuchs, seid ihr so weit?«
Der jüngere der beiden Strippenzieher nickte und holte die technischen Gerätschaften hervor. Man erkannte an Kalles Gesichtsausdruck, dass dieser nicht das erste Mal zum Tragen eines Mikros aufgefordert wurde.
»Ich verstecke die Dinger immer in meinem Zopf. Noch hab ich genug Haare …«
Wencke verfolgte die Installation mit großen Augen. »Wozu ist das nötig?«
»Zu Ihrer Sicherheit, Frau Frey«, sagte der Techniker. »Mein Kollege und ich werden immer Standby sein und Sie auf Schritt und Tritt per Funk und GPS verfolgen.«
|88| »Muss das wirklich sein?«
»Das LKA hat uns damit beauftragt, für Ihre Sicherheit zu sorgen, und das machen wir hiermit. Sollte irgendetwas schiefgehen, sind wir innerhalb von fünf Minuten bei Ihnen.«
»Und warum braucht Kalle so ein Ding?«
»Kalle ist als Member dabei, wenn clubinterne Gespräche geführt werden«, erklärte Boris. »Und da du in den nächsten Stunden bestimmt auch ein Thema bist, wäre es interessant, wenn wir mithören können. Du solltest wissen, wer von den Jungs dein Feind ist, und wer dein Freund …«
»Freunde findet man da nicht«, ging Kalle dazwischen. »Und genau deswegen ist es wichtig, dass du weißt, worüber gequatscht wird. Meine Brüder sind misstrauisch. Und gefährlich.«
Das Empfangsgerät hatte Ähnlichkeit mit einem MP 3-Player , es lag sogar eine Betriebsanleitung daneben, als handele es sich um ein fröhlich-harmloses Freizeitbelustigungsteil. Und dabei war es dazu gemacht, Wencke bestenfalls zu schützen. Wenn ihre Identität aufflog, konnte Kalle ihr nicht helfen. Und dann kam es manchmal auf Sekunden an, die ihr als Vorsprung dienten, das eigene Leben in Sicherheit zu bringen. Sie steckte das Ding kommentarlos ein, als habe sie schon x-mal mit Abhöranlagen gearbeitet.
»Wann immer du nicht im Raum bist, solltest du die Gespräche belauschen. Zudem sitzen stets zwei Kollegen in unmittelbarer Nähe und haben auch Stöpsel im Ohr.«
»Ich bin also halbwegs sicher?«
»Halbwegs«, grinste Kalle. »Wer Sicherheit sucht, sollte sich von den
Devil Doves
fernhalten – oder ihr Freund werden.«
Draußen wurde das Hupen und Motorheulen wieder lauter, Glas splitterte, Rufe schwollen an. Draußen brach gerade ein Krieg aus.
|89| Doch Wencke – oder sollte er sie jetzt besser Christine Frey nennen – goss sich seelenruhig Kaffee ein, knabberte einen Keks und verwickelte Kalle in Gespräche über Männlichkeit, Zusammengehörigkeitsgefühl und Mut. Kommentarlos nahm sie auch die eher dürftige Ausstattung zur Selbstverteidigung in Empfang: Pfefferspray und Elektroschocker. Damit könnte sie nicht allzu lange gegen eine Horde wütender Rocker angehen. Doch die Polizeiwaffe im Gepäck würde eher eine Gefahr als einen Schutz darstellen, bei einer eventuellen Durchsuchung durch die
DDs
sollte nichts, aber auch gar nichts zu finden sein, was Verdacht aufkommen ließ.
Wencke musste wissen, wie gefährlich die Sache hier war. Spätestens jetzt.
Doch diese Frau war cool, unglaublich lässig.
Vielleicht würde sie ihren Job schaffen.
|90| Die Sieben
findet sich als Zahl in der Apokalypse wieder, auch gibt es sieben Todsünden
Haus und Hof von Christine Frey entpuppten sich als ziemlich heruntergekommenes Pferdegehöft, in dem – so hoffte Wencke zumindest für die Vierbeiner – schon seit Jahren kein Tier mehr in einem der löchrigen Ställe
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