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Taubenkrieg

Taubenkrieg

Titel: Taubenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Lüpkes
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…«
    Wencke horchte auf. »Als was?«
    »Kennt sie die Regeln oder nicht?«, wollte Kalle wissen.
    »Ich bin gerade dabei, Christine Frey eure seltsamen Strukturen nahezubringen. Da muss ich bei Null anfangen. Die Rolle der Frau kommt erst in der überübernächsten Lektion dran.« Boris wusste, er konnte seinen sorgsam vorbereiteten Vortrag über den Haufen werfen. Das Fass war geöffnet worden. Wencke starrte ihn erwartungsvoll an.
    Kalle räusperte sich. »Normalerweise sind die Ladys im Clubhaus und auf sonstigen Partys immer aus dem horizontalen Gewerbe. Und das scheinst du mir nicht zu sein, stimmt’s?«
    »Donnerwetter«, lobte Wencke ihn.
    »Bei so einem Haufen Männer, da geht es entweder um Motoren, um Geld oder um Sex. Für den Sex sind die Weiber da. Und die machen auch ganz willig mit. Schließlich sind sie meistens aus unseren eigenen Häusern. Da ist man stolz, |85| wenn man mal direkt dem Chef unterstellt ist.« Er lachte schallend.
    Boris schaute unsicher zu Wencke hinüber. Meine Güte, wie schaffte die es nur, bei diesem furchtbaren Gelaber so verdammt cool zu bleiben? Andererseits, auf diese Weise wurde sie zwar recht unsanft, aber dafür direkt mit dem Umgangston konfrontiert, an den sie sich in den nächsten Tagen gewöhnen musste.
    »Und die Freundinnen der Mitglieder? Oder Ehefrauen*? Wo sind die?«
    »Die kommen, wenn wir Familientag haben. Das können wir nämlich auch, schön Barbecue und Hüpfburg für die Kleinen und so weiter.«
    »Tag der offenen Tür, und der Erlös geht an krebskranke Kinder. Die Rocker beherrschen das richtig, mit Riesenscheck und Handshaking und allem Pipapo.« Boris schaute eilig die Bilddateien durch, und tatsächlich fand er ein paar Fotos, auf denen in friedlicher Runde ums Lagerfeuer gesessen wurde.
Mighty Mäxx
mit Kind auf den Schultern,
Patch Blackys
tätowierter Arm beschützend um eine ältere Dame gelegt. »Das ist echt ganz großes Kino! Dann bringen die Medien immer Schlagzeilen, in denen von
rauer Schale
und
weichem Kern
die Rede ist. Früher gab es sogar mal die sogenannte
Blood Rally*
, bei der im großen Stil für verunglückte Biker Blut gespendet wurde.«
    »Und was findet so alles hinter den Kulissen statt?«, unterbrach Wencke.
    Boris konnte ihre Zuversicht hinter der gekonnt toughen Maskerade bröckeln sehen. Seltsam, diese Bilder vom fröhlichen Rockerleben vermochten, Wencke offenbar mehr zu irritieren als das Geknattere und Gehabe unter dem Hotelfenster. Andererseits verstand er seine Kollegin auch, denn ihm war es ähnlich ergangen, damals, als er in diesen Kreisen unterwegs |86| gewesen war. Das Machogehabe konnte man leicht als albern und durchschaubar belächeln. Richtig unangenehm wurde es erst, wenn man Gefahr lief, diese Menschen auf einmal sympathisch zu finden. Das war ein Kapitel, das Boris selbst gern verdrängte. Als er sich auf einmal wohlgefühlt hatte, damals als Student, als er die Distanz abbauen und dazugehören wollte, als er sogar über einen Motorradführerschein nachgedacht hatte, als es da diesen Mann gab, für den er sein Leben umgekrempelt hätte – da war es für ihn brisant geworden. Und hatte später schrecklich wehgetan.
    Doch Wencke war psychologisch hinreichend geschult, um zu erkennen, dass sie es mit einer gefährlich manipulativen Gruppe zu tun kriegte. Das da draußen war Muskelspiel. Dahinter erst verbarg sich der Ernst der Sache.
    Sie wurde langsam ungeduldig. »In einer Stunde ist mein Termin. Bis dahin würde ich gern wissen, wie ich als Frau dort auftreten soll, ohne falsche Signale auszusenden oder die Biker zu verschrecken.«
    »Du bist genau das richtige Kaliber«, warf Kalle plötzlich mit Charme um sich. »Die wissen schon, dass sie dich nicht so leicht zu was Schmutzigem rumkriegen. Aber wenn die dann in deinem Haus heiße Partys feiern, darfst du auch nicht so mega-feministisch sein, sag ich jetzt mal.«
    »Heiße Partys?«
    »Na ja, wir züchten uns den Nachwuchs selbst heran. Suchen uns in unseren Discos die hübschesten Mädels aus, erzählen ihnen was vom aufregenden Leben einer Rockerbraut, gehen zu tollen Events oder richtig etepetete essen, machen sie so ein bisschen von uns abhängig, und dann schicken wir sie bei uns in die Lehre. Und das Gesellenstück müssen sie bei solchen Parties liefern. Dann bekommen sie den H C-Patch * auf die Jacke genäht.«
    »H C-Patch ?«
    |87| Jetzt winkelte Kalle seine Arme an und machte mit den Ellenbogen Bewegungen wie ein Vogel, der auffliegen

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