Taubenkrieg
gestanden hatte. Die Wand neben der Eingangstür hatte vor Urzeiten jemand mit Hunderten Hufeisen dekoriert, rostige Suppe hatte, von den Nägeln abwärts gelaufen, ein hässliches Muster auf dem grauen Putz hinterlassen. Aber genau das schien
Mighty Mäxx,
ein Schrank von Mann mit blondiertem Resthaar, richtig schick zu finden. Er blieb davor stehen wie vor einem Kunstwerk und grinste. »Geil! Und bringt Glück, oder nicht?«
Auf die Minute genau pünktlich war der Tauben-Präsident mit seinem aus einem Dutzend grimmiger Männer bestehenden Gefolge eingetroffen. Auch Kalle war dabei, und Wencke und er hatten ganz locker die Wiedersehensfreude zweier guter Bekannter gespielt; bei der herzlichen Umarmung war ihr der kleine silberne Knopf im fusseligen Zopf nicht entgangen, er war also auf Sendung.
Über die Machtdemonstrationen am Ziegelsee, der nur ein paar Schritte entfernt lag, wurde kein Wort verloren. Ob der Rockeraufmarsch eskaliert oder im Sande verlaufen war, wusste Wencke nicht. Sie hatte sich unauffällig aus dem Hotel |91| verabschiedet und war schon mal zum Treffpunkt geeilt, um sich die Räumlichkeiten, die sie bislang nur von schemenhaften Grundrisszeichnungen kannte, zu inspizieren. So konnte sie jetzt einigermaßen souverän die Besitzerin spielen, die einen Haufen Schrott und jede Menge Müll vermieten möchte.
Die meisten Rocker zogen los, schauten sich die Ställe und das kleine Gartenhäuschen am Ende des Grundstücks an, interessierten sich für Einzäunung und Grillplätze. Nur die wichtigsten Member – Kalle gehörte augenscheinlich dazu – blieben beim Hauptgebäude und stellten sich mit verschränkten Armen neben und hinter ihren Anführer. »Gehen wir?«
Im größten Innenraum hatte ein übereifriger Dekorateur Pferdesättel zu Barhockern umfunktioniert, über dem Schanktresen baumelte ein Schild, in dessen Holzfläche der Schriftzug »SALOON« eingebrannt war, und in der Musikbox, die nicht mehr ganz zuverlässig wirkte, standen nur Countrysongs zur Auswahl. Eine schimmelige Küche, aus deren Ausgüssen es nach Kanalisation roch, zwei ebenso stinkende Toilettenanlagen und ein staubiger Raum unter dem Dach rundeten Christine Freys Immobilie vollends ab.
Scheußlich, verlebt und dreckig – aber
Mighty Mäxx
’ Augen leuchteten. »Echt geil!«
»Heizung und Elektrik könnten ein bisschen altersschwach sein«, gab Wencke zu bedenken.
Der Präsident setzte einen verbindlichen Gesichtsausdruck auf: »Das ist das geringste Problem, Lady. Unter unsern Jungs sind die besten Handwerker, die du dir wünschen kannst. Du wirst sehen, in ein paar Tagen läuft hier alles wie im Neubau.«
»Das ist ja praktisch!« Wencke wusste, warum der Rockerchef so auf dieses Anwesen abfuhr, Boris hatte es ihr erklärt: Motorradclubs liebten zentral gelegene Plätze, an denen sie dennoch halbwegs unbeobachtet waren und für die sich kein |92| Mensch mehr interessierte. Denn über kurz oder lang wollten sie sich Grundstücke mit allem, was dazugehört, aneignen. Nicht immer versuchten sie dies mit legalen Mitteln.
Die
Devil Doves
begeisterten sich also nur auf den ersten Blick für die Überreste des Freyschen Pferdehofes, viel besser gefiel ihnen wahrscheinlich, dass die Besitzerin eine alleinstehende Frau war, die auf Mallorca lebte und sich bestimmt auch mit ein paar Euro abspeisen ließ. Eine naive Verpächterin war ein gravierender Pluspunkt auf der Suche nach einem passenden Clubhaus.
Wencke hatte Spaß daran, die Rocker in diesem Glauben zu lassen. »Von mir aus können wir gleich den Vertrag fertig machen. Ich bin nämlich froh, wenn ich diesen Schuppen erst mal los bin. Meine Kneipe in S’Arenal läuft mies …«
»Ein bisschen Geduld musst du schon aufbringen, Lady. Wir warten noch auf juristischen Beistand.« Der Schatzmeister setzte sich schon mal an einen der klobigen Holztische und breitete diverse Papiere aus. Die Teufelstauben hatten ihren eigenen Mietvertrag mitgebracht, das sei am einfachsten, so der Vorschlag am Telefon. Es würde interessant werden, dieses Stück Papier heute Abend nach Haken und Ösen zu durchleuchten.
Aber Wencke gab sich vorerst naiv beeindruckt und setzte sich mit an den Tisch. »Ich bin ja so froh, dass Sie das alles in die Hand nehmen. Sie sind mit dem deutschen Mietrecht bestimmt besser vertraut als ich.«
Zwei Rocker machten sich schon mal daran, die Zapfhähne und anderes Tresenequipment unter die Lupe zu nehmen. Kalle kontrollierte die
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