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Taubenkrieg

Taubenkrieg

Titel: Taubenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Lüpkes
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Büro!«
Patch
blieb regungslos stehen und starrte in Wenckes Richtung. Hinter seiner linken Schulter war ein schmaler Garderobenspiegel, das meiste davon verdeckte er, doch in einer kleinen Ecke konnte Wencke erkennen, wer sie da gerade umklammert hielt. Der Mann war schwarz gekleidet, maskiert und offensichtlich ein Goliath. Am unerträglichsten fand sie |163| es, sich selbst in der Gewalt eines solchen Kerls zu sehen. Wie blass sie war, wie verzweifelt ihr Blick. Die Waffe zwischen ihren Lippen konnte man für eine Beretta 80 halten, genau war das nicht zu erkennen, aber es war auch sowieso egal, welches Fabrikat das Ding hatte, es saß nah genug an ihrem Hirn, da kam es auf die Qualität der Pistole nicht wirklich an. Wencke fühlte das Pfefferspray in ihrem Ärmel. Wahrscheinlich war das jetzt in etwa so wirksam, wie wenn sie ihren Peiniger freundlich darauf hingewiesen hätte, dass es sich nicht gehörte, wehrlose Frauen mit Schusswaffen zu bedrohen.
    »Wer bist du?«, fragte
Patch
, und man merkte ihm an, wie viel Mühe es ihn kostete, weder zu forsch noch zu brav zu klingen.
    »Du kennst mich genau,
Patch Blacky
. Und meine Brüder kennst du auch. Wir sind die
Gangster
und lassen uns von euch nicht länger verarschen!«
    »Lass die Frau los!«, versuchte
Patch
es mit einem eher schwachen Befehlston. »Sie hat mit der Sache nichts zu tun. Das ist nur unsere Verpächterin   …«
    »Erzähl keine Märchen, Arschloch!« Der Griff um Wenckes Oberkörper wurde fester.
    Seltsam, in diesem Moment hatte sie keine Angst. Im Gegenteil, sie fühlte sich fast heiter, dauernd kamen ihr die albernsten Dinge in den Sinn, zum Beispiel, ob die Pistole wohl noch funktionieren würde, wenn sie sich in diesem Moment übergab und den Lauf damit verstopfte. Ihr war nämlich gerade speiübel.
    Patch
schluckte trocken. »Hast du Nikola erschossen?«
    »Klar, ich wollte die Knarre testen   …« Der maskierte Riese lachte, wie Bösewichte in T V-Krimis lachten, tief und ein bisschen wahnsinnig. Es kam Wencke alles so unwirklich vor, das Blut an
Patchs
Händen und auf dem Treppenabsatz, zuvor sein hysterischer Hilferuf, jetzt dieser schwarze Fiesling und der |164| Muskelarm unter ihrem Kinn. Vielleicht war sie deswegen so gelassen. Weil sie das alles nicht für echt hielt. Was, wenn es nur Theater war, um Christine Frey einzuschüchtern? Sinn machte es nicht. Aber trotzdem erschien es Wencke plausibel. Und – mal ehrlich – wenn es anders war, wenn das hier todernst war, dann tendierte die Wahrscheinlichkeit, dass sie es überleben sollte, ohnehin gen Null. Sollte sie es also gleich darauf ankommen lassen?
    Beiden Männern schienen für einen Moment die Worte zu fehlen, und das nutze Wencke. Den Elektroschocker würde sie in dieser Situation nicht einsetzen können, ohne sich selbst auch zu schaden, also musste das verdammte Pfefferspray reichen. Sie hob zunächst langsam ihren freien Arm, ließ die kleine Dose herunterrutschen und legte den Zeigefinger auf den Sprühknopf. Schließlich visierte sie ihr Ziel noch einmal kurz im Spiegel gegenüber, kniff dann selbst die Augen zusammen – und ließ keine Zehntelsekunde mehr verstreichen. Der Griff um ihren Leib lockerte sich, zeitgleich jaulte der Maskenmann auf. Wencke hatte mit dem brennenden Zeug zielsicher seine Visage getroffen. Das Klicken des Pistolenabzugs ertönte dicht neben ihrem Ohr, und da wusste sie: Wenn ich das noch hören kann, dann hatte ich recht, dann war das Scheißding gar nicht geladen, dann hat der hier nur so getan als ob, dann lebe ich noch ein bisschen länger.
    Für Erleichterung war keine Zeit, mit einer schnellen Drehung, die sie vor Urzeiten mal in der Polizeiausbildung gelernt hatte, rammte sie dem sich vor Schmerz Windenden das Knie zwischen die Beine. Als er sich krümmte, setzte sie mit einem Schlag gegen das vom schwarzen Strumpf verdeckte Nasenbein nach. So, das war das ganze Repertoire, mehr hatte sie nicht zu bieten, aber es schien zu reichen, der Mistkerl machte sich aus dem Staub. Wencke sortierte sich wieder, fand den Elektroschocker und zielte, um den Angreifer mit ein paar fiesen |165| Ampere aus den Schuhen zu heben. Er schrie auf, als der blaue Blitz in das Hosenbein einschlug, die nächsten Schritte waren mehr ein Humpeln. Wencke versuchte nicht, den Flüchtenden aufzuhalten, er war ihr an Kraft und Gewaltbereitschaft haushoch überlegen. Sein Jammern entfernte sich im Treppenhaus. Zu dumm! Doch das Schwein würde man hoffentlich noch

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