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Taubenkrieg

Taubenkrieg

Titel: Taubenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Lüpkes
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eine Woche lang an seinen wunden Augen, der blauen Nase und der Wunde, die der Elektroschocker hinterlassen hatte, erkennen können.
    Patch
war eine Salzsäule. »Alle Achtung«, lobte er nur unpassend.
    Wencke rannte zum Telefon, welches auf dem Schreibtisch der Rezeption stand.
    »Was machst du?«
    »Was wohl«, zischte sie. »Ich rufe den Notarzt. Und die Polizei. Du warst ja nicht imstande, das Arschloch aufzuhalten.«
    »Ich   …«
    Wencke hörte seinem Gestammel nicht zu. Ihre Beine verloren allmählich an Kraft. Zu blöd, anscheinend kamen die Angstsymptome erst jetzt, im Nachhinein. Kalter Schweiß, rasender Herzschlag, trockener Hals – das volle Programm. Trotzdem riss sie sich zusammen und wankte, mit dem Telefonhörer in der Hand, in das Zimmer, dessen Türrahmen inzwischen ein wildes, rotes Graffiti aus Handabdrücken zierte. »Frau Kellerbach?«
    Die Frau lag auf dem Rücken, verletzt, totenbleich und definitiv nicht ansprechbar. Doch dass sie noch am Leben war, erkannte man auf den ersten Blick. Auch
Patch
musste bemerkt haben, wie sich der Brustkorb unter der weißen Bluse hob und senkte. Wencke konnte keine schwerwiegenden Wunden erkennen, die Verletzungen der Frau sahen eher nach Streifschüssen aus, und in der Wand dahinter steckten auf halber Höhe zwei Projektile im Putz.
    |166| Am anderen Ende wurde endlich abgenommen. »Polizeidienststelle Schwerin. Sie haben den Notruf gewählt. Wie können wir Ihnen helfen?« Das klang wie der Spruch am Servicetelefon ihrer Krankenversicherung.
    »Christine Frey hier. Ich befinde mich in den Räumen der Kanzlei Kellerbach, leider kenne ich die Adresse nicht. Hier gab es einen Überfall mit einer Schwerverletzten   …«
    Der Beamte fragte, wie es sich gehörte, in aller Seelenruhe nach den wichtigsten Details. Wencke riss sich zusammen, doch Antwort für Antwort fuhr ihr Puls langsam runter, immer tiefer, abgrundtief, und direkt nachdem sie alles Wesentliche gesagt hatte, wollten ihre Beine nachgeben. Sie musste sich zusammenreißen.
    »Wir bringen deine Freundin in die stabile Seitenlage. Kriegst du das hin?«
    Patch
nickte und half mit: das Bein anwinkeln, die Hand unter die Wange legen, den Kopf nach hinten strecken und die halbe Drehung. Allein hätte Wencke das nicht mehr geschafft, auch wenn derlei Handgriffe fast mechanisch ablaufen sollten, so etwas hatte sie laut Dienstvorschrift schließlich immer und immer wieder geübt, doch jetzt war es, als habe man bei ihr die Luft herausgelassen.
    Natürlich konnte sie Blut sehen, das durfte ihr nichts ausmachen, sie kam schließlich ständig an Orte, wo das rote Zeug floss oder schmierte oder den Boden bedeckte. Aber jetzt wurde ihr übel davon. An Nikola Kellerbachs Seite klaffte eine Wunde, die Wencke mit beiden Händen notdürftig zuzuhalten versuchte. »Du musst den Puls kontrollieren«, flüsterte oder schrie sie. »Sie lebt noch. Du musst sie beruhigen, verstehst du? Rede mit ihr!«
    Doch ob
Patch
mitmachte oder außerstande war, sich um seine Freundin zu kümmern, Wencke bemerkte es kaum. Sie zog ihr T-Shirt aus und presste es gegen die Stelle, an der die |167| Kugel die Haut der Frau zerrissen hatte. Der Stoff wurde feucht, wurde nass, aber Wencke hielt die Stellung. Erst als sie nach einer Weile, die zwischen fünf Minuten und hundert Jahren liegen mochte, den Sanitäter zur Tür hereinkommen sah, wagte sie zu hoffen, dass der Einsatz sich gelohnt hatte, dass es ihr trotz schwindender Sinne irgendwie gelungen war, ein Leben zu retten.
    Doch wenn es nach Wencke gegangen wäre, hätte der sachte Nebel der Verwirrtheit gleich wieder aufziehen können. Sie nahm einen jungen Sanitäter wahr, der sich um Nikola kümmerte. Er schien das auch ganz professionell zu machen, das war nicht das Problem.
    Das Problem stand hinter dem jungen Lebensretter und trug ein scheußliches Toupet.
    »Wencke Tydmers?« Kriminalhauptkommissar Wachtels Blick ruhte auf ihr. »Was um alles in der Welt machen Sie denn hier?«

|168| Die Vierzehn
ist die Zahl der bösen Dämonen
    Es war kein Problem, den Türsteher zu überwinden. Boris hatte dem finster dreinblickenden Kerl einfach keine Beachtung geschenkt. Das war die beste Methode, reinzukommen, daran hatte er sich erinnert. Einige Dinge blieben auch nach Jahren immer gleich.
    Drinnen roch es, wie es in Bordellen eben roch: nach etwas Süßlichem, das sich penetrant über den Zigaretten- und Alkoholgestank legte und dem olfaktorischen Supergau nahekam. Auch ansonsten

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