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Taubenkrieg

Taubenkrieg

Titel: Taubenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Lüpkes
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könnte es gehen«, befand Sanders und warf sich die Lederjacke über. »Wenn ich dann noch den Helm aufsetze   …«
    »Bloß keinen Helm*«, warnte Boris. »Harte Kerle glauben fest daran, einen harten Schädel zu haben, besonders wenn sie sich gegenseitig besuchen.«
    »Okay, dann nicht.« Kurz sah es aus, als würde Sanders kneifen wollen, doch dann blähte er ein bisschen übertrieben den Oberkörper auf und übte im Spiegel sein finsterstes Gesicht. »Jetzt müssen wir nur noch herausfinden, wo Gauly sich aufhält, und dann halten mich keine zehn Pferde mehr.«
    Boris musste lachen. »Ihre Ungeduld kann ich gut verstehen. Aber ich glaube, wir sollten uns noch ein bisschen besser bewaffnen, bevor der Kampf losgeht.«
    »Ich gebe Ihnen meine Dienstwaffe, wenn Sie das meinen, dann können Sie aus der Entfernung   …«
    »Sie haben keine Ahnung, was für ein mieser Schütze ich bin, aber okay, ich nehme das Ding. Was ich aber eigentlich mit Bewaffnen meinte, ist, dass wir noch mehr Wissen in petto haben müssen. Sobald wir fundierte Informationen in der Tasche haben, die Gauly entlarven, ist unsere Position eindeutig besser.«
    |242| »Aber woher sollen wir solche Beweise finden, wenn womöglich die Hälfte der Polizei und Staatsanwaltschaft mit ihm gemeinsame Sache macht?«
    Bellhorn zuckte mit den Schultern. »Vielleicht gibt es hier eine Behörde, die sich mit Akten aus DD R-Zeiten beschäftigt. Ein Amt oder so   …«
    »Heute ist Sonntag«, gab der Mann in Rockerkleidung zu bedenken.
    »Vielleicht haben wir ja trotzdem Glück.« Boris wollte sich einfach nichts anderes vorstellen.

|243| Die Fünfzig
steht als Zahl für den Beginn eines neuen Abschnitts
    Heide stand auf der Brücke und hielt diesen Brocken aus Metall in ihrer Hand. Viel war nicht los, weder die L105 unter ihr noch der Wirtschaftsweg, der an dieser Stelle die Landstraße überquerte, waren am Sonntag stark befahren. Vielleicht waren unweit von ihr ein paar Spaziergänger rund um den kleinen Teich unterwegs, der so idyllisch im sommerlichen Grünland lag, aber die würden auch keinen Verdacht schöpfen, wenn eine junge Frau etwas länger am Geländer lehnte und ihren Blick in die Ferne schweifen ließ.
    Es konnte einige Zeit dauern, Geduld war gefragt. Doch sobald der Anruf kam, sollte Heide auf einen auffallend blauen Sportwagen achten, Cabriolet, hier in dieser Gegend waren solche Angeberschlitten rar. Sobald das Auto den Acker rechts passiert hatte, müsste sie bis drei zählen und dann   …
    Als Heide ein kleines Mädchen gewesen war, hatte ihr Vater sie stets mit den süßesten Versprechungen gelockt: Wenn du eine Eins in Mathe schreibst, gehe ich mit dir ins Kino. Räumst du dein Zimmer immer gründlich auf, machen wir im Sommer eine Radtour. Bei der Schulband darfst du nur mitmachen, wenn du regelmäßig Klavier übst.
    Heide war nie mit ihrem Vater im Kino, hat keine Radtour unternommen, und die Musikproben ihrer Schule hatte sie kein einziges Mal besucht. Schuld daran war sie selbst gewesen, |244| da es ihr nie gelungen war, die kleinen, harmlosen Bedingungen ihres Vaters zu dessen Zufriedenheit zu erfüllen. Immer war es in Mathe nur ein »gut« geworden, stets hatte der Vater noch eine Socke unter dem Bett gefunden, oder ihr waren bei ›Für Elise‹ die Finger auf die falschen Tasten gelangt und hatten für Misstöne gesorgt. Dann hatte ihr Vater traurig geguckt und »Schade, wirklich schade« gesagt.
    Das Gefühl, es läge nur an ihr, ob das Glück für sie bereitstand oder nicht, hatte sie in letzter Zeit oft verspürt. Wie das kleine Mädchen Heide war sie sich vorgekommen, als sie das Clubhaus in Brand gesteckt und den Brief an Nikola Kellerbach überreicht hatte – die altbekannte Anstrengung, auch ja alles richtig zu machen. Sie wollte kein »Schade, wirklich schade« hören.
    Und war es nicht so, dass sie für diese Anstrengung belohnt worden war? Sie war die Einzige, die das Geheimnis kannte! Sie war der Mensch, dem er traute! Gab es einen gültigeren Beweis für seine Liebe?
    Doch all diese Forderungen der letzten Tage waren lächerlich, verglich man sie mit dem, was nun zu tun war. Es sollte der letzte Gefallen sein, um den er sie bitten würde, danach wäre wirklich, wirklich alles gut. Danach wartete das Glück, endgültig.
    Aber konnte man es einen Gefallen nennen, wenn man das Risiko dabei einging, zur Mörderin zu werden? Ja. Sie würde das schließlich keinesfalls machen, wenn sie nicht davon überzeugt wäre,

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