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Taubenkrieg

Taubenkrieg

Titel: Taubenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Lüpkes
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Hochsommer eindeutig zu auffällig. Ihr Job wäre es, einen waschechten
G-Point -Gangster
abzugeben.« Boris ging zum Kleiderschrank. Er hatte vor seiner Abreise nach Schwerin lange gezögert, dieses Ding einzupacken. Seit Jahren hing es von einer durchsichtigen Plastiktüte geschützt hinter seinen Polohemden. Und schließlich hatte er es eingepackt, aus dem Gefühl heraus: Wer weiß, ob es nicht doch endlich einen Sinn bekommt, dass ich diese alte Weste jahrelang wie einen Schatz gehortet habe.
    |239| »Eine echte Kutte?
G-Point -Gangster Chapter Middleland.
« Sanders zog das alte, muffige Teil über. Man musste noch ein bisschen an ihm herumzupfen, noch sah er unverkennbar wie ein Polizist in Rockerkutte aus.
    »Woher haben Sie das Ding? In Karnevalslädchen gibt es die nicht zu kaufen, soviel ich weiß.«
    »Gehörte einem Freund von mir.«
    Sanders nickte. Er hatte begonnen, sich ein wenig umzustylen. Ohne mit der Wimper zu zucken, riss er sich ein Loch in die Hose, die bis dahin makellos ausgesehen hatte. Er war wild entschlossen, etwas zu unternehmen, stellte Boris fest. Dieser Mann würde alles für Wencke tun, das war in diesem Moment klar geworden. Irgendwie rührte es Boris. Er musste eine blöde Träne wegwischen.
    »Alles okay?«, fragte Sanders.
    Boris räusperte sich. »Ja   … geht so.«
    »Ist es wegen der Kutte?«
    »Nein.« Sollte er diesem Mann, den er gerade mal ein paar Stunden kannte, von Dirk erzählen? Gerade jetzt, da sie doch eigentlich ganz andere Sachen im Kopf hatten? »Doch, ja, es ist wegen der Kutte.«
    »Soll ich sie wieder ausziehen?« Sanders machte schon Anstalten, dabei hatte er gerade sein T-Shirt ganz passend darunter zurechtgebastelt.
    »Nein, lassen Sie. Ist schon gut. Mir geht diese ganze Sache ziemlich an die Nieren. Wegen Wencke natürlich. Aber auch wegen dieser Geschichte, die wir eben im Internet gefunden haben. Und auch aus persönlichen Gründen.«
    Man konnte Sanders nicht ansehen, ob er Lust hatte, den Beichtvater zu spielen. Aber da er nichts sagte, nicht das Thema wechselte, fasste Boris sein kleines bisschen Mut zusammen. »Dass ich schwul bin, wissen Sie ja sicher längst   …«
    Sanders nickte.
    |240| »Der erste Mann, in den ich mich verliebt habe, also so richtig mit allem Drum und Dran   … Für den ich mich sogar endlich geoutet habe   … also dieser Mann hieß Dirk, und er war ein Rocker.«
    »Ich dachte immer, Homosexualität sei in Motorradclubs eher ungern gesehen.«
    »Das drücken Sie aber sehr harmlos aus.« Er lachte kurz auf. »Zwar kann es unter den Brüdern sogar tatsächlich mal zu   … na ja   … intimen Praktiken kommen, Sie wissen schon. Aber da hat das mehr mit Dominanz und Unterwerfung zu tun, ähnlich wie im Knast.«
    »Und mit Dirk war es anders?«
    »Völlig anders. Das war die wahre Liebe. Wir haben uns auf einem Rockkonzert kennengelernt, wobei er im Publikum war und ich mir mein Studentengehalt im Bierzelt aufgebessert habe. Eigentlich hasse ich solche Events.«
    »Und was ist passiert?« Sanders nahm das Dreieckstuch entgegen, das Boris ihm hingehalten hatte, und versuchte, es auf seinem Kopf zu drapieren.
    »Wir waren höllisch ineinander verknallt. Dirk war zehn Jahre älter als ich und zu der Zeit gerade Anwärter auf die Mitgliedschaft bei den
G-Point -Gangsters
. Seine Neigung war bis zu unserem Treffen sein bestgehütetes Geheimnis, und er hatte die etwas naive Hoffnung, zwischen den ganzen Brüdern schon noch zum richtigen Kerl zu werden.«
    »Aber dann kamen Sie ihm ins Gehege   …«
    »Nein, nicht ins Gehege. Ich bin ihm gefolgt. Ich habe meinen Motorradführerschein gemacht, habe meine Haare kahl rasiert und sogar ein grässliches Tattoo stechen lassen, wegen dem ich mich bis heute nicht mehr mit freiem Oberkörper in der Öffentlichkeit zeige. Um die Gunst seiner Clubmitglieder zu erlangen, habe ich ein Jahr lang auf dem Gelände die Drecksarbeit erledigt, habe in Nachtclubs die Toiletten geschrubbt |241| und das ganze Programm. Ich wollte auch dazu gehören, nur so konnten wir uns immer nahe sein.«
    »Das nenne ich wahre Liebe   …« Sanders meinte das ganz ernst.
    »Ja, das war es«, seufzte Boris.
    Sanders betrachtete sich im Spiegel. Das Tuch sah völlig daneben aus.
    »Darf ich?« Boris löste es noch einmal, legte den quadratischen Stoff ins Dreieck, passte ihn an die Stirn an und band einen Knoten. Dann kramte er noch Dirks alten Nietengürtel hervor und legte ihn Sanders um die Hüfte.
    »So

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