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Taubenkrieg

Taubenkrieg

Titel: Taubenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Lüpkes
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sicher gewesen sein. Ansonsten hätte er es ihnen nicht so leicht gemacht, ihn via Handy zu orten. Dank Bellhorns technischem Know-how und Axels Dienstausweis waren sie rasch auf das alte Firmengelände in der Nähe des Ostseestrandes gestoßen. Es musste dasselbe Grundstück sein, auf dem Wencke mit diesem
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Motorradfahrübungen absolviert hatte. Laut Katasteramt gehörte es
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und vermoderte seit Jahren ungenutzt vor sich hin. Man konnte sich an drei Fingern ausrechnen, auf welche Weise es in Wahrheit sehr wohl seinen Zweck erfüllte. Bellhorn hatte berichtet, dass Rockerbanden genau solche Orte nutzten, um Waffen, gestohlene Motorräder oder Drogen zu verstecken.
    Nun hielten sie Wencke dort gefangen. Zwar hatte Gauly es nicht explizit zugegeben, aber Axel war sich sicher, sie dort zu finden. Nein, er hoffte es inständig. Fast betete er darum. |265| Ach, scheiße! Er hatte verdammte Angst, dass es anders sein könnte.
    Achtung, Axel, bleib bei der Sache!, mahnte er sich selbst. So lange fuhr er noch nicht Motorrad, als dass er beiläufig mit über hundert Stundenkilometern über die Landstraße brettern und nebenbei an Wencke denken konnte. Es war nicht mehr weit, zum Glück, gleich müsste ein kleiner Ort kommen, und dort ging es irgendwo rechts ab. Vor ihm kroch ein klassischer Sonntagsfahrer im Trabbi die Straße entlang. Der Trottel nutzte die ganze Fahrbahn, wahrscheinlich war er noch um ein Vielfaches älter als sein Auto. Axel setzte den Blinker.
    Eine geschwungene Brücke kreuzte den Weg. Ganz oben, auf dem Scheitelpunkt, stand eine einsame Frau, die etwas Klobiges in den Händen hielt. Vor solchen Menschen auf Brücken mit Gegenständen im Arm konnte man sich fürchten, normalerweise, heute aber nicht. Heute hatte er keine Zeit zum Fürchten. Axel setzte zum Überholen an und ließ die Brücke hinter sich.
    Sie hatten überstürzt handeln müssen, Bellhorn und er. Zwar hatte keiner von ihnen ausgesprochen, dass es um Wenckes Leben ging, doch das war auch nicht nötig. Die
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waren nicht gerade für ihre Zimperlichkeit bekannt. Sich Verstärkung zu organisieren wäre ein zu großes Risiko gewesen. Als ihnen klar wurde, was für Gauly auf dem Spiel stand, wussten sie, jede Minute, die sie weiter grübelnd im Hotelzimmer saßen, wäre eine Minute, die man dem Mistkerl schenkte, damit er seine unrühmliche Vergangenheit vertuschen konnte. Wenn es nur um Bestechlichkeit gegangen wäre oder um Zuhälterei, das wäre halb so wild gewesen. Doch je tiefer er und Bellhorn im Stasi-Archiv recherchiert hatten, desto flacher war Axels Atem geworden. Hier ging es um eine Riesenschweinerei, die – sollte sie jemals an die Öffentlichkeit gelangen – Gaulys gesamte Existenz zunichte machen würde. Seine gesamte |266| Karriere als Staatsanwalt fundierte auf einer Lüge, wie sonst wäre ein Mann, der offensichtlich Menschenrechte mit Füßen getreten hatte, ausgerechnet zum Hüter über Recht und Ordnung aufgestiegen. Das kostete Gauly nicht nur seine Pensionsansprüche, das kostete ihn sein angenehmes Leben, seine Designeranzüge und Sportwagen, seine Kumpanei mit der High Society. Und egal, ob er sich noch Möglichkeiten ausrechnete, seinen feisten Advokatenkopf aus der Schlinge zu ziehen, Wencke würde in jedem Fall dafür geopfert werden.
    Der notdürftig zusammengeschusterte Plan sah vor, dass Axel allein und mit Voranmeldung zu dem betreffenden Areal fuhr, während Bellhorn sich wenig später von der Rückseite her anschleichen würde, bewaffnet und mit Fernglas im Anschlag.
    Da! Er musste so hart bremsen, dass seine Harley bockte wie ein Esel. Gerade noch erwischte er die Abzweigung nach Wisch und Zierow. Ein holperiger Weg, schmal wie ein Handtuch und so staubig, als sei hier seit Jahrhunderten kein Mensch mehr entlanggefahren. Umgestürzte und zerborstene Bäume gaben den Blick in ihr ausgehöhltes, stumpfes Inneres frei. Die Landschaft bestach durch ihre Tristesse, und Axel stellte sich vor, er hätte einmal die Gelegenheit, hier mit Wencke spazieren zu gehen und ihr zu sagen, wie viel sie ihm bedeutete. Bei ihrem letzten Treffen hatte er sich benommen wie ein Vollidiot. Hatte er ihr tatsächlich gesagt, dass er die Situation nicht mehr aushielte? Wie bescheuert musste man eigentlich sein! Und als sie diese Bemerkung auf sich bezogen hatte, war er zu feige gewesen, das Missverständnis aufzuklären. Mit der Situation meinte er doch nicht allein Wencke, er meinte alles, die ganze

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