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Taubenkrieg

Taubenkrieg

Titel: Taubenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Lüpkes
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einfältig.
    Patch
schnellte vor und griff sie hart an den Schultern. »Du bleibst schön hier, meine Liebe. Noch hat dein scheiß Retter nicht mit der ganzen Wahrheit rausgerückt, und so lange rührst du dich keinen Zentimeter. Sonst   …« Die Beretta, die er nun direkt in Wenckes Augenhöhe hielt, war ein überzeugendes Argument. Dieses Mal war die Waffe geladen, das wusste er, das wusste Wencke, das war allen klar. Dieses Mal war es ernst. |272| Endlich konnte Axel zwischen zwei Birken das Zeichen erkennen, das er mit Bellhorn ausgemacht hatte: Einer der knallroten Luftballons, die in der Hotellobby dekoriert gewesen waren, stieg still und leise in den Himmel. Wurde aber auch Zeit.
    Irgendwo da hinten zwischen den sich verrenkenden Bäumen lag Bellhorn jetzt im Sand, beobachtete sie und hielt seinerseits eine Waffe im Anschlag. Nun mussten sie abwarten, vorsichtig sein, keine zu schnellen Bewegungen machen. Und diesen Mistkerl überzeugen, dass er die Pistole von Wenckes Schläfe entfernen soll.
    »Lasst sie gehen«, versuchte es Axel.
    »Warum sollten wir das tun?«, fragte Gauly, der sich wieder etwas gefangen hatte.
    »Weil einer meiner Brüder in diesem Moment eine Knarre auf einen von euch gerichtet hält, darum!«
    Die Gorillas sahen sich hektisch um.
    »Der blufft nur«, sagte
Patch
mit ekelhafter Selbstsicherheit.
    Axel hob langsam den rechten Arm. Das war Bellhorns Zeichen, der Schuss zerriss das bis dahin kaum wahrnehmbare monotone Rauschen der Ostsee und hallte von einer Betonwand zur anderen wie ein Pingpongball. Irgendwelche Seevögel flatterten aufgeregt davon. »Ich bluffe nicht. Lasst sie gehen.«
    Sie schauten einander an, und alle waren bemüht, weder mit der Wimper noch mit sonst einem Gesichtsmuskel zu zucken. Ein halbes Dutzend Pokermienen warteten darauf, dass diese eingefrorene Sekunde abgetaut wurde und es irgendwie weiterging. Axel wusste, selbst wenn sie seine Aufforderung befolgten, war die Gefahr nicht gebannt. Die Waffe in
Patchs
Händen war wohl kaum die einzige in dieser Runde. Wahrscheinlich saßen gerade bei Gauly die Finger bedrohlich nah |273| am Abzug, nachdem er begriffen hatte, dass die Vergangenheit ihn jetzt endgültig einzuholen drohte.
    Wencke war es, die zuerst handelte, wie so oft, sie konnte nicht anders, sie war einfach haarsträubend unvernünftig. Sie schlug mit einer präzisen Bewegung gegen den Arm, der auf ihrer Schulter lag, sodass die Beretta in hohem Bogen davonflog und dicht neben der Hauswand landete. Keinen Atemzug später trat sie um sich, traf auch, brachte
Patch
dazu, sich nach vorn zu krümmen. Dann rannte sie auf Axel zu. »Das Motorrad«, schrie sie. »Los, setz dich drauf und fahr!«
    Er hätte gern so schnell reagiert, doch in dem Moment, als er in seiner Hosentasche nach dem Zündschlüssel suchte, sah er Gaulys Hand in der Innenseite seines Sakkos verschwinden. Das konnte Bellhorn von da hinten unmöglich sehen, da die beiden Gorillas die Sicht versperrten. »Wencke, lauf!« Er warf ihr den Zündschlüssel zu und sah aus den Augenwinkeln, wie sie das Ding auffing. Er selbst stürzte nach vorn, auf diesen Oberstaatsanwalt zu, der tatsächlich ein schweres, schwarzes Etwas aus der Tasche zog und den Lauf auf Wencke richtete. »Nein!«
    Es brach los, das Gewitter aus scharfer Munition, aus allen Richtungen wurde geschossen. Wie Hammerhiebe knallte es einem auf das Trommelfell und zertrümmerte für Sekunden sämtliche Orientierung. War Wencke getroffen worden? Axel schaute sich um, noch immer benommen, sah sie auf das Motorrad steigen, den Schlüssel ins Zündschloss stecken. Sie wollte los. Er musste mit, rannte ein paar Schritte, bis es wieder einen Schlag gab. Laut und heftig, sein Oberschenkel schien zu zerfransen, da kam vorn etwas heraus, zwischen dem Stoff der Jeans und der Haut und dem Fleisch, es stand hervor und sah aus wie ein Knochen. Damit kann man nicht mehr laufen, dachte er, aber es gelang ihm dennoch, einen Fuß nach vorn zu setzen. Auf einmal war Wencke direkt an seiner Seite und zog |274| ihn hoch auf das Motorrad. Er hielt sich an irgendetwas fest, an ihrer Jacke und am Metall der
Harley
. Dann ließ Wencke den Motor aufheulen und setzte die Maschine in Gang.
    Als er zurückblickte, sah er den Rocker, der eben noch gespuckt hatte, auf dem Boden liegen und Staub fressen.
Patch
schoss noch immer, aber sie waren schon jetzt weit entfernt. Gauly jedoch hatte als Einziger seinen Verstand unter Kontrolle. Er stieg, die Pistole noch

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