Tauchstation
jetzt eine neue, vorwärts gerichtete Bewegung. Er presste seine Nase gegen das Bullauge und sah, wie die Benthic Explorer aus seinem Sichtfeld verschwand. Dann blickte er, das Gesicht noch fes ter gegen das Plexiglas gedrückt, hinab in die Tiefen des Ozeans, in die er gleich eintauchen würde. Die sich im Auf und Ab der Wellen brechenden Sonnenstrahlen warfen ge spenstische Schatten und ließen ihn glauben, in den Rachen der Unendlichkeit zu starren.
Mit einem Schaudern wurde Perry bewusst, dass er ver letzlich war wie ein kleines Kind. Eine Mischung aus Eitel keit und Dummheit hatte ihn dazu gebracht, sich dieser fremdartigen Umgebung auszuliefern, in der er jegliche Kontrolle über sein Schicksal aus der Hand gegeben hatte. Obwohl er nicht religiös war, betete er, dass dieser kleine Unterwasserausflug schnell, sicher und glimpflich über die Bühne gehen möge.
K APITEL 4
»Kein Kontakt«, antwortete Suzanne auf Donalds Frage, ob das Sonar unter der Oceanus irgendwelche unerwarteten Hindernisse geortet habe. Obwohl sie auf dem of fenen Ozean hin- und herschaukelten, musste vor dem end gültigen Abtauchen gecheckt werden, ob nicht womöglich unbemerkt ein anderes U-Boot unter ihnen aufgekreuzt war.
Donald griff zu seinem UKW-Mikrofon und stellte Kon takt zu Larry Nelson her, dem Leiter der Tauchstation auf der Benthic Explorer. »Wir haben ausreichenden Abstand zum Schiff. Sauerstoffzufuhr ist angestellt, alle Systeme jus tiert, Luke geschlossen, Unterwassertelefon eingeschaltet. In der Umgebung ist nichts Außergewöhnliches erkennbar, das Sonar hat keine Hindernisse geortet. Erbitte Erlaubnis zum Abtauchen.«
»Ist das Signal aktiviert?«, fragte Larry über Funk.
»Jawohl«, erwiderte Donald.
»Dann erteile ich Ihnen hiermit die Erlaubnis zum Ab tauchen«, schnarrte Larrys Stimme vor dem Hintergrund einiger Störgeräusche aus dem Lautsprecher. »Die Entfer nung zum Kopf des Bohrlochs beträgt dreihundertunddrei Meter. Wünsche einen angenehmen Tauchgang.«
»Roger!«, bestätigte Donald.
Donald wollte das Mikrofon gerade einhängen, als Larry noch hinzufügte: »Der Druck in der Deck-Dekompres sionskammer entspricht jetzt nahezu dem der vorgesehenen Tauchtiefe. Wir lassen die Tauchglocke also in Kürze herun ter. Ich schätze, die Taucher müssten in etwa einer halben Stunde unten sein.«
»Wir erwarten sie. Over and out«, beendete Donald das Gespräch und hängte das Mikrofon ein. An Suzanne ge wandt, kommandierte er: »Fertig zum Abtauchen. Ballast tanks fluten!«
Suzanne beugte sich vor und legte einen Kippschalter um. »Ballasttanks werden geflutet«, wiederholte sie, um Missverständnisse zu vermeiden. Donald machte eine Ein tragung auf seinem Klemmbrett.
Es klang, als ob nebenan jemand duschte, als das kalte Atlantikwasser in die Ballastzellen der Oceanus strömte. Der Auftrieb nahm blitzartig ab, und als er ins Negative um schlug, sank das U-Boot geräuschlos unter die Meeresober fläche.
Während der folgenden Minuten überprüften Donald und Suzanne mit äußerster Konzentration noch einmal sämtliche Systeme. Ihre Unterhaltung beschränkte sich auf das Zurufen und Abfragen technischer Details. Während das U-Boot sein Absinken auf eine Endgeschwindigkeit von dreißig Metern pro Minute beschleunigte, checkten sie im Schnelldurchgang ein zweites Mal sämtliche Funktionen, die sie bereits vor dem Abtauchen geprüft hatten.
Perry sah währenddessen durch das Bullauge nach drau ßen. Die Farbe des Wassers wechselte vom anfänglichen Grünblau schnell in ein immer tieferes Indigoblau. Nach fünf Minuten sah er fast nichts mehr; nur wenn er nach oben blickte, konnte er noch einen schwachen blauen Schimmer erkennen. Nach unten war das Wasser dunkellila und ging zusehends in ein tiefes Schwarz über. Im starken Kontrast zu der draußen herrschenden Finsternis erzeugten die unzähligen Monitore und Messanzeigen im Inneren der Oceanus ein kaltes elektronisches Licht.
»Ich glaube, wir sind ein bisschen vorderlastig«, stellte Suzanne fest, als sie die Überprüfung der elektronischen Geräte beendet hatten.
»Stimmt«, entgegnete Donald. »Sorgen Sie dafür, dass Mr Bergman kompensiert wird!«
Suzanne legte einen anderen Schalter um, woraufhin ein Surren ertönte.
Perry beugte sich zwischen den beiden U-Boot-Führern nach vorn. »Was soll das heißen, dass ich kompensiert wer den soll?« Seine Stimme klang sogar in seinen eigenen Oh ren komisch. Er schluckte, um seine trockene Kehle zu
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