Taumel der Gefuehle - Roman
anzusehen. »Ich bin weit besser dazu geeignet, mir Einlass in den Landsitz zu verschaffen als North oder einer der anderen Mitglieder des Kompass Klubs. Ich bin flinker und leichter und kenne die Wege im Schlaf. Und wenn diese Argumente nicht ausreichen sollten, so weiß ich, wo Louise die übrige Diebesbeute aufbewahrt, die ich über die Jahre für sie gestohlen habe.«
Noch immer konnte North es nicht fassen, dass er nicht allein zum Landsitz der Battenburns reiste. Elizabeth ritt neben ihm, besaß jedoch wenigstens die Geistesgegenwart, ihn nicht anzusprechen. Sie wusste, dass seine
Stimmung beinahe ebenso schwarz wie seine Reitkleidung war.
Elizabeth zügelte Becket zu einem langsamen Trab, als eine Kutsche hinter ihnen die Straße entlanggeprescht kam. Sie hob ihren Schal, um sich den Staub aus dem Gesicht zu halten. Ihr Reitumhang flatterte, während der Wagen an ihnen vorbeipreschte, und Elizabeths Wallach kam ein wenig ins Straucheln.
Sofort war Northam neben ihr. »Du musst dein Pferd besser im Griff haben«, meinte er knapp. »Lass dich nicht von einer Kutsche vom Weg abdrängen!«
Verärgert reckte Elizabeth das Kinn und schüttelte ihren Wollschal aus. »Sei nicht so ekelhaft zu mir!«
»Ich versichere dir, das war noch harmlos.«
»Dann reiß dich meinetwegen bitte nicht zusammen!«
Er bedachte sie mit einem scharfen Blick.
Rasch fuhr Elizabeth fort: »Ich weiß, dass du es nicht begrüßt, mich in Männerkleidung zu sehen. Auch der Gasthausbesitzer wäre schockiert, hätte er meine Maskerade durchschaut. So allerdings dachte er sich nichts Ungewöhnliches, dass du mit einem der Stallburschen ausreitest, während deine Gattin sicher in ihrem Bett schläft.«
»Wäre ich allein hier«, erklärte Northam, »würde meine Ehefrau tatsächlich sicher in meinem Londoner Bett liegen, und ich wäre binnen eines einzigen Tages nach Battenburn geritten. Dann wäre auch keine List erforderlich gewesen.«
»Du wärst unnötig müde gewesen. Die Reise ist anstrengend und zu lang, um sie an einem Tag zu bewältigen. Du wirst mir noch dankbar für den Zwischenstopp
sein, wenn du stundenlang in einem der Geheimgänge eingezwängt bist.«
Northam legte die Stirn in Falten, und in seinem Gesicht zuckte ein Muskelstrang. Er zog sich den Hut tiefer in die Stirn, um der grimmigen Kälte und dem beißenden Wind zu trotzen.
»Du hättest keine Einwände, wäre ich South, West oder East«, sagte Elizabeth.
»Großer Gott, Elizabeth, du bist meine Frau!«
»Ich nehme an, das soll eine Erklärung für deine verstockte Unnachgiebigkeit sein, aber ganz ehrlich, Northam, ich denke, es sagt viel mehr über deine Vorurteile aus.«
»Meine Vorurteile?«
»Ja«, antwortete sie scharf. »Nur weil ich eine Frau bin, willst du meine Hilfe nicht annehmen!«
»Verdammt noch mal, Elizabeth! Es liegt schlicht und einfach daran, dass ich dich liebe !« Aus den Augenwinkeln heraus sah er, dass sie im Sattel zusammenzuckte. »Ich liebe dich«, wiederholte er dieses Mal in weicherem Tonfall. »Ich möchte nicht, dass dir etwas geschieht!«
»Und mir geht es genauso, was dich betrifft!«, rief Elizabeth. »Ich hätte nicht zurückbleiben können, um auf deine Rückkehr zu warten. Versteh mich nicht falsch, Northam. Es wird Zeiten geben, in denen ich genau das machen werde. Ich werde es zwar hassen, aber ich werde untätig auf dich warten, weil ich dir anders nicht helfen kann. Hier liegen die Dinge allerdings anders. Zusammen sind wir sicherer, als wenn wir allein wären.«
North vertraute ihrer Einschätzung zwar nicht, doch er wusste, dass Elizabeth anderer Meinung war. »Sobald
wir Battenburn erreichen, wirst du genau das tun, was ich dir sage.«
»Natürlich. Der Oberst hat mir das bereits eingeschärft.«
»Und ich kann ihm nur wieder beipflichten.«
Verschmitzt salutierte sie.
»Die andere Hand, Elizabeth. Man salutiert mit der Rechten.«
»Oh.« Sie vergrub das Kinn in ihrem Schal, um ihr belustigtes Lächeln zu verbergen.
Sie erreichten Battenburn vor der Morgendämmerung. Die Pferde banden sie in einem nahe gelegenen Wäldchen an und ließen außerdem ihre gefütterten Paletots und Hüte zurück. Vorsichtig schlichen sie über den gefrorenen Boden. North musste sich eingestehen, dass es schwierig geworden wäre, ohne Elizabeths Hilfe in das Anwesen einzudringen. Natürlich behielt er diese Feststellung für sich. Alle Türen zur großen Eingangshalle waren verriegelt, und beim Eingang zur Küche wären sie
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