Taumel der Gefuehle - Roman
Gebannt starrte sie auf sein wunderschönes Gesicht, das im Schlaf so jung aussah. Elizabeth glaubte nicht, dass ihr eigenes Antlitz derart unbekümmert wirkte, wenn sie schlummerte. Allerdings hatte sie auch keine sorgenfreien, ungetrübten Träume verdient.
Sie setzte den Kerzenleuchter ab und ging zum Ankleidezimmer
zurück, um die Wasserschüssel und den feuchten Schwamm zu holen. Dann ließ sie sich zaghaft auf der Matratze nieder. Als sie sich zu ihm drehte, bemerkte sie, dass er sie beobachtete und sie mit einem strahlenden Lächeln bedachte.
Im nächsten Moment griff er nach ihrer Hand, führte sie zu seinen Lippen und küsste ihre Knöchel. Die Zärtlichkeit der Geste berührte sie derart, dass sie am liebsten zu weinen angefangen hätte. Doch sie hatte sich geschworen, dieses Mal keine Tränen zu vergießen. Das hatte er nicht verdient.
»Ich dachte, du seist eingeschlafen«, murmelte sie.
Langsam zog er ihre Hand, die immer noch in der seinen lag, an seine Brust. »Wäre dir das lieber?«
»Nur, wenn du es wünschtest.«
Amüsiert hob er eine Braue. »So zuvorkommend. Und wenn ich wünschte, ein weiteres Mal mit dir zu schlafen?« Als sie ihm nicht sofort antwortete, glaubte er schon, sie würde nach einer schlagfertigen Entgegnung suchen. Ihre Augen musterten stattdessen seinen weichen Penis. In ihrem Gesichtsausdruck waren so viele Zweifel zu lesen, dass North zu lachen begann. »Ich verstehe deine Bedenken«, sagte er grinsend. »Vielleicht ein wenig später.«
Sie nickte, und ihr Blick wanderte von seinen Lenden zu seinem Antlitz. Sein betörendes Lächeln, seine unbefangene, selbstironische Belustigung hatten sie völlig in den Bann gezogen. »Wie du willst«, erwiderte sie, und war sich kaum der Worte bewusst, die sie ausgesprochen hatte.
»Woran denkst du?«
Abwehrend schüttelte sie den Kopf. »Nichts. Es war|...«
»Nichts. Ich weiß, Elizabeth, doch dein Nichts ist weitaus interessanter als die tiefsten Gedanken der meisten Menschen.« Aufmunternd drückte er ihre Hand. »Sag es mir.«
Sie zögerte. »Es ist töricht, wirklich. Ich dachte daran, dass in deinem Lächeln kein Schmerz zu erkennen ist. Ich habe mich gefragt, ob das Leben schon immer so leicht für dich war.«
Nachdenklich betrachtete er ihr Gesicht. »Einfacher als deines, wie mir scheint.«
Elizabeth hatte nicht damit gerechnet, dass seine Antwort wieder auf ihr Leben anspielen würde. Ihr Inneres zog sich zusammen, und sie versuchte, ihm die Hand zu entziehen. Doch er ließ es nicht zu und drückte ihre Finger noch fester an sich.
»Willst du es nicht hören?«, fragte er ruhig.
Sie war sich nicht sicher. Sie fühlte sich feige und sagte nichts, sodass nun die Entscheidung, ob er es ihr erzählen würde, bei ihm lag.
»Ich verbrachte meine ersten Lebensjahre... im Schoß einer liebevollen Familie. Da waren mein Vater, der fünfte Earl von Northam, meine Mutter, mein älterer Bruder Gordon, eine ältere Schwester Leticia und zwei jüngere Schwestern, Pamela und Regina. Schon das unterscheidet uns, denn soviel ich weiß, bist du ein Einzelkind.«
Sie wollte schon nicken, dann erinnerte sie sich, wie sich die Situation geändert hatte. »Ich habe einen Halbbruder, Adam.«
»Ja, das hatte ich vergessen.« Dann fuhr er fort: »Natürlich hatten wir Kinder unsere Streitigkeiten, aber ich verlebte eine schöne Kindheit. Sogar Gordon, der als Erstgeborener besondere Rechte innehatte, ließ mich das
nie spüren. Mein Vater ging in der Politik auf, ähnlich wie der deine. Er verbrachte viel Zeit in London, hielt Reden und kümmerte sich um Regierungsangelegenheiten. Meine Mutter war ebenfalls sehr beliebt in der Oberschicht und ist es bis heute geblieben. Trotz all ihrer Verpflichtungen sahen wir unsere Eltern häufig, und sie wussten immer, wenn einer von uns etwas angestellt hatte. Gleichzeitig waren sie mit Lob nicht sparsam und zeigten uns offen, dass sie stolz auf uns waren. Ich habe mehr Zeit mit meinen Eltern verbracht als etwa South oder East. Marchman hat seinen Vater nie kennen gelernt«, fügte er eine Spur leiser hinzu. »Als Gordon älter wurde, wurde er nach Eton geschickt, wie unser Vater vor ihm. Ich vermisste ihn sehr und beneidete ihn. Auf ausdrücklichen Wunsch meines Großvaters musste ich nach Hambrick.«
»Warst du enttäuscht?«
»Nicht besonders. Ich war alt genug um zu verstehen, dass ich in Eton immer im Schatten meines großen Bruders stehen würde. Mein Vater wollte mich ebenfalls nach Eton
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