Taumel der Gefuehle - Roman
»Ich denke, Mr Marchman war ein wenig eifersüchtig auf dein gutes Aussehen.«
North gab ein abschätziges Knurren von sich. »Mein Großvater sagte ebenfalls, dass mir die gebrochene Nase Charakter verleihen würde. Am nächsten Besuchstag wollte er unbedingt Marchman treffen und sich bei ihm bedanken. Meine Mutter war weniger versöhnlich. Sie hält ihn noch immer für einen Grobian, obwohl er bessere Manieren hat als der Rest von uns zusammen. Außer dir ist sie die Einzige, die sich wohlwollend über mein Aussehen geäußert hat. Sie war bestürzt über meine Nase und sagte, ich hätte auch ohne sie genügend Charakter.«
Elizabeth gab vor, sein Gesicht genau zu mustern. »Da muss ich ihr Recht geben, Mylord, ganz ohne Nase wärst du tatsächlich eine Charakterfigur.«
»Ha! Ich meinte die leichte Unebenheit, und das weißt du ganz genau. Du hältst dich wohl für sehr gewitzt.«
»Nein«, entgegnete sie. »Das wäre ich jedoch gerne.«
»Warum?«
»Um dich zum Lachen zu bringen. Du hast ein wundervolles Lachen.« Die Bemerkung war ihr herausgerutscht, ohne dass sie darüber nachgedacht hatte. Sie senkte den Kopf, da sie wusste, dass sie zu viel offenbart hatte.
»Denkst du das wirklich?«
»Nun, es ist nicht so schön wie Lord Southertons«, antwortete sie leichthin, als wäre ihre Unterhaltung nicht von Bedeutung. »Warst du schon einmal im Zoo? Es gibt dort ein Tier, dessen Lachen|...«
Er küsste sie. Er hatte keine andere Wahl. Wenn er es zugelassen hätte, hätte Elizabeth den Rest des Abends damit verbracht, ihm weiszumachen, dass ihre Worte belanglos gewesen seien. Es wäre höchstwahrscheinlich äu ßerst amüsant geworden, vielleicht auch ein wenig demütigend, jedoch sicherlich von vorn bis hinten erlogen. Deshalb war es besser, sie zu küssen.
»Oh.« Verwundert blickte sie ihm in die Augen, als er den Kopf wieder hob. Es war alles, was sie hervorbrachte, um nur nicht die Fingerspitzen an den Mund zu führen. Nur ein naives Mädchen hätte das getan. Sie ärgerte sich darüber, erneut das Gefühl zu haben, zum ersten Mal geküsst worden zu sein. Unwillkürlich fragte sie ihn leise: »Willst du mich jetzt nehmen?«
Sie war wie ein in die Ecke gedrängtes Kätzchen, dachte Northam. Zähne fletschend. Die Krallen ausgefahren. »Nein«, entgegnete er, ohne näher auf ihre derben Worte einzugehen. »Nicht im Moment. Vielleicht später.« Aus den Augenwinkeln heraus beobachtete er, wie sie erstaunt den Mund öffnete, um ihn gleich darauf
wieder zu schließen. Gut, dachte er. Sie zu verwirren schien die einzige Möglichkeit zu sein, sie sprachlos zu machen.
Zufrieden stopfte er sich ein Kissen in den Nacken und lehnte sich gemütlich gegen das Kopfteil des Bettes. »Ich glaube, ich wollte dir gerade von Hambrick erzählen. Keiner von uns war beliebt bei den anderen Jungen. Ich war zu ernst. South war zu klug. Und East... nun, East war... wie soll ich es ausdrücken? Nun, er war etwas beleibt.«
Obwohl sie es nicht zugeben wollte, war Elizabeth neugierig. »Willst du damit sagen, dass er pummelig war?«
»Beinahe ebenso breit wie hoch. Seine Mutter schickte ihm pausenlos Süßigkeiten und Gebäck.«
»Er schien nicht gerade das Opfer zu sein, das Mr Marchman sich ausgesucht hätte.«
»Oh, East hatte den Ruf eines Schlägers. Er konnte jeden zu Boden werfen. Musste er auch. Er wurde ständig aufgezogen, und außerdem gab es da noch die Kuchen, die es zu verteidigen galt.« Northam sah, dass Elizabeth lächelte. »Folglich legte Marchman sich mit ihm an. Er machte sich zwar nicht über Easts Umfang lustig, sondern wollte ihm einfach nur seinen Ruhm als bester Raufbold streitig machen.«
»Was passierte dann?«
»Es mag dir nicht entgangen sein, dass der Marquess eine schiefe Nase hat«, sagte er trocken. »Natürlich gewann East. Mehrmals. Ich weiß nicht genau, wie das Kämpfen endete und unsere Freundschaft begann, doch eines Tages stellten wir fest, dass wir alle zusammen Eastlyns Köstlichkeiten aufaßen, und das war es dann.«
»Und du hast nie mit dem Gedanken gespielt, Mr Marchman auszuschließen?«
»Niemals.«
»Es scheint, er hat euch allen viel Ärger eingebracht.«
»Er hat uns zusammengeführt.«
»Der Kompass Klub«, flüsterte sie andächtig.
»Mhm. Es war eine seltsame Angelegenheit. Niemand von uns hat damit gerechnet, jemals den Titel zu erben. Das war eines der Dinge, die uns von vielen anderen Schülern in Hambrick unterschied. Es war Marchman, der uns aufzeigte,
Weitere Kostenlose Bücher