Taumel der Gefuehle - Roman
Handbewegung zeigte er auf die Tür. »Gentlemen?«
South hatte sich in den vergangenen Minuten daran gewöhnt, dass sich Elizabeths Fingernägel immer tiefer in sein Fleisch gruben. »Alles wird gut werden«, flüsterte er ihr beruhigend zu.
Erstarrt sah Elizabeth ihn an und versuchte, sich nicht das Ausmaß ihrer Verzweiflung anmerken zu lassen. »Nein. Nein, das wird es nicht.« Liebevoll drückte er ihre Hand, dann wandte er sich um.
Das Warten wollte kein Ende nehmen. Die Gäste hatten den beiden Männern zugesehen, wie sie den Saal verließen, und niemand konnte nun den Blick von den Türen abwenden.
Allein Northam schien die Ruhe selbst zu sein. Lässig lehnte er an Madame Fortunas Tisch. Sogar falls der Gentleman-Dieb tatsächlich unter ihnen weilte, dachte North, würde dieser Umstand nichts an dem Ausgang
ändern. Er konnte nicht erwarten, dass der echte Dieb hervortreten würde, um sich zu stellen. Dafür hatte er sich zu viel Mühe gemacht, Lady Battenburns Halskette in seiner Truhe zu verstecken. Nein, der Gentleman wollte die Schuld auf ihn schieben.
Northam seufzte und verschränkte die Arme vor der Brust. Dieser Zwischenfall würde dem Plan seiner Mutter, ihn so schnell wie möglich zu verheiraten, einen Strich durch die Rechnung machen.
Als sich endlich Schritte näherten, ging ein aufgeregtes Gemurmel durch die Menge. Die Türen wurden geöffnet, und South und Allen trugen die lederbeschlagene Truhe in den Raum. Im nächsten Augenblick setzten die beiden sie vor Madame Fortunas Tisch ab.
North bedeutete Southerton mit einem Nicken, sie zu öffnen. Dieser schob die Riegel auf und hob den Deckel an. Dann trat er einen Schritt zurück, um Allen die Habseligkeiten seines Freundes durchsuchen zu lassen. Widerwillig beugte sich Allen über die Truhe und fuhr mit der Hand über das Futteral. Kurz darauf hielt er inne und ließ die Finger in einen Schlitz im Damaststoff gleiten.
»Habt Ihr etwas gefunden?«, wollte Northam wissen. Da Allen nickte, fuhr North fort: »Ihr könnt es ruhig herausholen, damit es jeder sehen kann.«
Allen kam seiner Aufforderung nach und tastete nach dem Gegenstand, den er vorher gespürt hatte. Als Allen die Hand aus der Truhe zurückzog, glitzerten Diamanten wie ein leuchtender Wasserfall durch seine ausgestreckten Finger.
Ein erstauntes Raunen ging durch den Raum, und jedes Augenpaar war auf Northam geheftet. »Es spielt
wohl keine Rolle, dass ich die Kette weder gestohlen noch in meiner Truhe versteckt habe«, beteuerte er.
Battenburn räusperte sich. »Könnt Ihr das beweisen?«
Die Antwort kam aus einer völlig unerwarteten Richtung. Lady Elizabeth Penrose trat nach vorne. »Lord Northam kann nicht der Dieb sein«, entgegnete sie ruhig. »Er war an dem Morgen, an dem die Kette gestohlen wurde, mit mir zusammen.« Für den Fall, dass jemand sie nicht richtig verstanden haben könnte, fügte sie hinzu: »Die ganze Nacht.«
Neuntes Kapitel
Nach dieser Ankündigung blieb ihnen nichts anderes übrig als zu heiraten. Die Einzelheiten des Ereignisses überließen sie jedoch den andern. Southerton besorgte die notwendigen Dokumente, der Baron sprach mit dem Pfarrer und traf die Vorbereitungen für die kirchliche Trauung. Lady Battenburn kümmerte sich um das Hochzeitsbankett und schickte nach ihrem Londoner Schneider, der Elizabeths Kleid und die Aussteuer anfertigte, während die Baronin außerdem persönlich die Blumengestecke und Kränze aussuchte. Einzig die Benachrichtigung der beiden Familien mussten Northam und Elizabeth selbst veranlassen. Aus Zeitmangel wurden die Herzoginwitwe und der Earl von Rosemont per Kurier informiert, auf einen persönlichen Besuch musste verzichtet werden.
Die Gäste auf Battenburn reisten planmäßig ab, ihr Bedauern darüber verringerte sich dadurch, dass sie den herrlichsten Skandal des Jahres hautnah miterlebt hatten.
Das zukünftige Brautpaar sah sich in diesen Tagen kaum. Keiner der beiden erhob Einwände gegen diese Anordnung, fast hätte man meinen können, sie seien froh, nicht darüber sprechen zu müssen, wie die Ereignisse sie überrollt hatten.
Nach dem Diner am Vorabend ihrer Hochzeit machten sie Seite an Seite einen Spaziergang im Park. In angemessenem
Abstand schlenderte Southerton hinter ihnen her. Er hatte seinen starken Widerwillen zum Ausdruck gebracht, Anstandsdame spielen zu müssen, doch niemand schien seine Proteste ernst zu nehmen. Nach kurzer Zeit ließ er sich mürrisch auf einer Bank nieder.
Die
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