Tausend strahlende Sonnen
schweren Schritte zurück, schneller jetzt.
Mariam sah ihn die Treppe heruntereilen, sah, wie er mit der einen Hand den Schlüssel in die Tasche steckte und mit der anderen seinen Gürtel gepackt hielt. Das gelochte Ende hatte er um die Knöchel gewickelt, die Schnalle aus imitiertem Messing baumelte herab.
Sie ging auf ihn zu, um ihn aufzuhalten, wurde aber unwirsch zur Seite gestoßen. Wortlos holte er zum Schlag gegen Laila aus, so schnell, dass ihr keine Zeit blieb, sich zu ducken oder auch nur eine schützende Hand zu heben. Laila befühlte mit den Fingern ihre Schläfe, sah, dass sie blutete, und schaute Raschid verwundert an. Doch die Verwunderung wich schnell einem anderen Ausdruck, dem des Hasses.
Raschid schlug wieder mit dem Gürtel zu.
Diesmal hob Laila den Unterarm vors Gesicht und versuchte, den Gürtel in der Luft abzufangen. Sie griff daneben, bekam ihn aber, als er wieder auf sie niedersauste, kurz zu fassen. Doch Raschid entriss ihn ihr und peitschte abermals auf sie ein. Laila nahm Reißaus und rannte durchs Zimmer, gefolgt von Raschid, der ihr immer wieder den Weg abschnitt, während Mariam ihn kreischend anbettelte, von Laila abzulassen. Einmal gelang es Laila, ihm einen Schlag aufs Ohr zu versetzen, worauf er einen wüsten Fluch ausstieß und umso heftiger tobte. Er packte sie, schleuderte sie an die Wand und traf mit der Gürtelschnalle auf Brust, Schulter, Arme und Hände. Laila blutete an mehreren Stellen.
Mariam war außer sich. Schreiend und händeringend irrte sie im Zimmer umher, bevor sie schließlich, ohne zu wissen, was sie tat, die Hand gegen Raschid erhob, an seinen Haaren zerrte und ihm mit ihren schartigen Fingernägeln das Gesicht zerkratzte.
Er ließ von Laila ab und wandte sich ihr zu. Es schien, als blickte er durch sie hindurch. Dann aber sah er ihr in die Augen, zuerst verblüfft, dann schockiert, kopfschüttelnd, ja fast enttäuscht, und schließlich verfinsterte sich sein Blick.
Mariam erinnerte sich an den Moment, als sie in Jalils Beisein und hinter ihrem Hochzeitsschleier zum ersten Mal Raschids Augen, von einem Spiegel reflektiert, wahrgenommen hatte, wie sich ihre Blicke auf der blanken Oberfläche trafen, er mit gleichgültiger Miene, sie zahm, fügsam, fast als wolle sie sich entschuldigen.
Entschuldigen.
Mariam erkannte nun in ebendiesen Augen, wie töricht sie gewesen war.
Ob sie ihren Mann jemals getäuscht habe, fragte sie sich. Konnte man ihr den Vorwurf machen, eine selbstgefällige Frau zu sein? Eine ehrlose Frau? Lügenhaft? Vulgär? Womit hatte sie seine Beleidigungen verdient, seine Boshaftigkeit und all die Quälereien? Hatte sie ihn nicht immer gepflegt, wenn er krank war? Ihn und seine Freunde bekocht? Gehorsam und pflichtbewusst den Haushalt geführt?
Hatte sie ihm nicht ihre Jugend geopfert?
Hatte sie ihm jemals Grund für seine Gemeinheiten gegeben?
Raschid ließ den Gürtel fallen und kam auf sie zu. Manches, so schien er mit dieser Geste zum Ausdruck bringen zu wollen, ließ sich besser mit bloßen Händen erledigen.
Doch als er gerade über sie herfallen wollte, sah Mariam, wie Laila hinter ihm einen Gegenstand vom Boden aufhob, den Arm in die Höhe reckte und zuschlug. Glas splitterte. Die Scherben eines Wasserglases regneten herab. Lailas Hand war voller Blut, Blut rann aus einer Schnittwunde auf Raschids Wange und tropfte auf sein Hemd. Mit gefletschten Zähnen und aufflackerndem Blick fuhr er herum.
Laila und Raschid stürzten gemeinsam zu Boden und rangen miteinander. Er kam auf ihr zu liegen, legte ihr die Hände um den Hals.
Mariam zerrte an seinem Hemd. Sie schlug ihn, versuchte, ihn von Laila loszureißen. Sie biss ihn. Doch er ließ nicht locker. Er drückte Laila die Kehle zu, und es war klar, dass er bis zum Letzten gehen würde.
Mariam wich zurück, durch die Tür in den Flur, wo sie Klopflaute wahrnahm. Oben schlug Zalmai mit seinen kleinen Händen gegen eine verschlossene Tür. Sie rannte nach draußen, durchquerte den Hof.
Im Werkzeugschuppen langte sie nach der Schaufel.
Raschid sah sie nicht ins Wohnzimmer zurückkommen. Er saß immer noch auf Laila, hatte das Gesicht zu einer Grimasse verzogen und die Hände um ihren Hals geschlungen. Laila war blau angelaufen; sie hatte die Augen nach oben verdreht und schien sich nicht länger zu wehren. Er bringt sie um, dachte Mariam. Er meint es ernst. Doch das konnte und das wollte sie nicht zulassen. Er hatte ihr in den siebenundzwanzig Jahren ihrer Ehe schon genug
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