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Tausend strahlende Sonnen

Tausend strahlende Sonnen

Titel: Tausend strahlende Sonnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Khaled Hosseini
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Mariam und Laila den Haushalt gemeinsam. Sie saßen in der Küche und rollten Teig aus, schnitten Frühlingszwiebeln, hackten Knoblauch und gaben Aziza, die mit Löffeln klapperte, Gurkenstückchen zu naschen. Wenn sie sich im Hof aufhielten, lag Aziza warm angezogen und mit einem Wollschal um den Hals in einer Korbwiege. Mariam und Laila behielten sie im Auge, wenn sie Seite an Seite Hemden, Hosen und Windeln auf dem Waschbrett rieben.
    Mariam gewöhnte sich allmählich an das vorsichtige, aber angenehme Miteinander. Dass sie nach getaner Arbeit mit Laila chai im Hof trank, wurde zu einem allabendlichen Ritual, auf das sie sich schon den ganzen Tag lang freute. Morgens wartete sie immer sehnsüchtig auf das Schlappen der durchgetretenen Latschen auf der Treppe, wenn Laila zum Frühstücken nach unten kam, und auf Azizas helles Lachen, den Anblick ihrer acht Zähnchen und den milchigen Duft ihrer Haut. Wenn Laila und Aziza länger im Bett blieben, wurde Mariam unruhig. Sie spülte dann Geschirr, das gar nicht gespült zu werden brauchte, ordnete die Sitzkissen im Wohnzimmer oder wischte Staub auf staubfreien Fensterbänken. Sie beschäftigte sich irgendwie, bis Laila endlich mit der Kleinen auf der Hüfte die Küche betrat.
    Wenn Aziza Mariam morgens erblickte, gingen ihre Augen weit auf. Sie gluckste dann und wand sich im Arm ihrer Mutter, streckte die Arme nach Mariam aus, öffnete und schloss die kleinen Hände und drängte danach, von Mariam gehalten zu werden, das Gesicht voller Bewunderung und Erregung.
    »Was für ein Aufstand«, sagte Laila dann und gab die Kleine frei, damit sie auf Mariam zukrabbeln konnte. »Was für ein Aufstand! Beruhige dich. Khala Mariam geht nirgendwohin. Sie ist da, deine Tante. Siehst du? Na, geh schon zu ihr.«
    Und kaum dass sie in Mariams Armen war, schnellte der Daumen in den Mund, und sie schmiegte ihr Gesicht an Mariams Hals.
    Ein wenig verlegen, aber mit dankbarem Lächeln auf den Lippen wiegte sie dann das Kind. So vorbehaltlos und unmittelbar waren ihr gegenüber noch nie liebende Gefühle zum Ausdruck gebracht worden.
    Mariam hätte vor Rührung weinen können.
    »Warum hängst du dein kleines Herz an eine so alte, hässliche Schachtel, wie ich es bin?«, flüsterte Mariam in Azizas Haar. »He? Wer bin ich denn schon? Eine dehati . Was könnte ich dir geben?«
    Doch Aziza brabbelte bloß und schmiegte sich noch enger an sie. Und wenn sie das tat, war Mariam so überwältigt, dass ihr die Augen feucht wurden. Und sie fragte sich, wie es möglich sein konnte, dass sie nach all den Jahren trüber Einsamkeit und gescheiterter Beziehungen zu diesem kleinen Wesen eine erste, wahre Verbindung gefunden hatte.
    Zu Beginn des folgenden Jahres, im Januar 1994, wechselte Dostum tatsächlich die Seiten. Er schloss sich Gulbuddin Hekmatyar an und bezog Stellung bei Bala Hissar, der alten Festungsanlage im Koh-e-Shirdawaza-Gebirge hoch über der Stadt. Mit vereinten Kräften beschossen sie Massouds und Rabbanis Truppen, die sich im Verteidigungsministerium und im Königspalast verschanzt hatten. Die Gefechte eskalierten. Die Straßen von Kabul waren buchstäblich übersät mit Toten, Schutt und Metallteilen. Es wurde geplündert, gemordet und – zur Einschüchterung der Zivilbevölkerung und Belohnung der Milizionäre – in unvorstellbarem Ausmaß vergewaltigt. Mariam hörte von Frauen, die sich aus Angst vor Schändung selbst das Leben genommen hatten, und von Männern, die im Namen der Ehre Frauen und Töchter töteten, die von Milizionären vergewaltigt worden waren.
    Das unablässige Donnern der Mörsergranaten verschreckte Aziza. Um sie abzulenken und zu beruhigen, schüttete Mariam Reis auf den Boden und formte mit den Körnern die Umrisse eines Hauses, eines Hahns oder eines Sterns, um sie anschließend von Aziza wieder verwischen zu lassen. Sie zeichnete für die Kleine Elefanten, wie es ihr von Jalil beigebracht worden war, mit einem Strich und ohne den Stift abzusetzen.
    Von Raschid war zu hören, dass tagtäglich Dutzende von Zivilisten den Kämpfen zum Opfer fielen. Krankenhäuser und Gebäude, in denen medizinisches Material lagerte, standen unter Beschuss. Versorgungstransporte, so sagte er, würden vor der Stadt abgefangen, ausgeplündert und in Brand gesteckt. Mariam fragte sich, ob auch in Herat mit gleicher Wut gekämpft wurde und wie, wenn dies der Fall wäre, Mullah Faizullah zurechtkäme, falls er denn noch lebte, und wie es Bibi jo , ihren Söhnen, Schwägerinnen

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