Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen
Schönheit zu überzeugen.
Ferahschad war als Mann ebenso vollkommen wie Hurschid als Weib. Asad, dem er sich anvertraute, verbarg ihm nicht, daß, wenn irgend jemand der Prinzessin würdig wäre, er es sei; daß es aber sehr schwer hielte, sie zu sehen, und viel mehr noch, ihre Liebe zu gewinnen. Indessen konnte er es dem Prinzen nicht abschlagen, ihn auf der Reise nach Persien zu begleiten, die dieser unter fremdem Namen machen wollte.
Ferahschad versah sich mit einer ungeheuern Menge Gold und Diamanten und köstlicher Kleinode; verkleidete sich als einfacher Mann und reiste so eines Nachts ab, Asad aber war sein Führer. Beide verfolgten ihren Weg nach Persien, während der alte König von Mauritanien untröstlich war, weil er nicht wußte, was aus seinem Sohne geworden war. Er sandte nach allen Himmelsrichtungen Leute nach ihm aus; aber die beiden Reisenden hatten, um sich noch besser zu verbergen, Derwischgewänder angelegt; und unter dieser frommen und zugleich lächerlichen Verkleidung erreichten sie die Hauptstadt Persiens.
Sie waren jetzt sehr nahe bei dem Palaste der Prinzessin; die Schwierigkeit jedoch bestand darin, hineinzugelangen. Asad riet dem Prinzen, sich in dem benachbarten Walde zu verstecken, wo er das Grabmal seines Gefährten wiederfand und es von neuem mit Tränen benetzte. Und er bemerkte das daneben erbaute Bethaus; ihr Derwischkleid aber berechtigte sie, es zu betreten, so wurden sie denn von dem Greise, der zu dessen Priester und Hüter bestellt war, freundlich aufgenommen. Unter dem Vorwande einer besonderen Verehrung, die sie für den Propheten hegten, baten sie den Derwisch um die Erlaubnis, in dem Bethause bleiben und wohnen zu dürfen, erhielten aber zur Antwort, daß solches nicht anginge und daß sie in Lebensgefahr schwebten, wenn sie es wagten, weil die Prinzessin manchmal selbst des Nachts dahin käme, ihre Andacht zu verrichten, und niemand, der sie sähe, wenn es nicht ein abgelebter Greis wäre wie er, dem Feuer ihrer Augen, mindestens aber dem Schwerte ihrer Leibwache entgehen könnte. Der Prinz fügte sich scheinbar in die Entfernung, aber man kann sich wohl denken, daß er sich vornahm, in der Nähe zu bleiben, auf daß er die wunderbare Prinzessin sehen könnte, wenn sie den Ort besuchte, nach dem sie das Gebet zu dem Propheten Elias führte. Er versprach dem Greise, sich zu begnügen, jeden Tag etliche Male in das Heiligtum zu kommen; dabei stellte er noch mehrere Fragen über die Prinzessin, deren Beantwortung ihn mehr und mehr in Flammen setzte.
Einige Tage danach hatte der Greis Gelegenheit, der Prinzessin zu erzählen, daß der wohlgebildetste und liebenswürdigste Derwisch, der jemals im Morgenlande gesehen worden, sein Bethaus besucht habe. Hurschid mutmaßte alsobald, dieser junge Derwisch wäre sicher jemand, der sich ihr zuliebe verkleidet hätte, und war um so weniger ungehalten darüber, als sie hörte, daß er liebenswürdig war.
Auf dem Heimwege von dem Bethause aber begegnete sie dem Fremdlinge im Walde und nahte sich ihm, zwar verschleiert, doch Ferahschad erriet schon alles übrige aus der Schönheit ihrer Gestalt und der Lieblichkeit ihrer Stimme. Dieses erste Gespräch bestand nur aus einigen leichten Fragen, auf die der Prinz in großer Verwirrung antwortete, was die Prinzessin glücklicherweise zugunsten ihrer Reize auslegte. Ferahschad wurde so entflammt, daß er auf der Stelle leidenschaftliche Verse verfaßte, die er an der Türe des Bethauses aus seiner Tasche fallen ließ. Der Greis nahm sie auf und übergab sie der Prinzessin, die nicht säumte, bald wieder herzukommen, um ihre Andacht zu verrichten. Der Inhalt dieser Verse war so:
Nur durch Wolken sah ich die Sonne und bin schon vernichtet;
Ach, der Tod ist mein Los, erweckt ihre Glut mich nicht wieder.
Als Hurschid diese Verse auf merksam gelesen hatte, wußte sie nur zu gut, woher sie kamen, und begab sich in das Innere des Heiligtums, wo sie, anstatt langer Gebete, sich damit befaßte, auf ihre Schreibtafel eine Antwort zu schreiben, die sie am Rande eines Gebüsches fallen ließ, indem sie den jungen Derwisch versteckt wußte, weil er sie vorbeigehen sehen wollte.
Sie lautete aber also:
Nicht will ich den Tod verschulden des jungen Derwischs;
zu sehr fürcht ich den Zorn unserer heiligen Propheten;
Er lebe und hoffe dereinst noch ein glücklicheres Geschick!
Der Prinz war vor Freuden außer sich, als er eine so günstige Antwort las, und hatte sich in dem Heiligtum niedergeworfen,
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