Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen
der wäre ein würdiges Seitenstück zu dem Helm und dem Schilde, den du da trägst!«
Bigstaf antwortete: »O Bergspalter, deine Worte gleichen deinem Tun. Ich bin nicht vor dich hingetreten, um mit einem Krieger, sondern mit einem berufsmäßigen Schlächter zu kämpfen. Und wenn es mir zukommt, in allen Dingen edel zu handeln, so kommt es dir zu, unedel zugrunde zu gehen. Du reizest mich zwar, den ersten Streich zu führen; doch wage du selbst ihn!«
»Bei Mohammed, du sollst nicht gelogen haben«, sagte Bergspalter. Ein Donner schien der Gewalt des Streiches nicht gleichen zu können, den er nach solchen Worten auf den Topf auf dem Haupte seines Feindes fallen ließ; aber im Augenblick, wo ihn das Schwert berührte, prallte er, anstatt ihn zu durchdringen, derart ab, daß die starke Faust, die ihn führte, erschüttert wurde; der ob dieses Widerstands verwunderte Bergspalter will nun mit einem Streiche den Arm und den Schild seines Gegners herunterhauen; aber die Klinge seines krummen Schwertes zerspringt in Stücke; anstatt gegen Eisen, wie er glaubte, geschlagen zu haben, war es ein hohler und verschimmelter Käse, an dem seines Schwertes Zauberkraft zugrunde gegangen war.
»Tausendschockschwerenot«, rief Bergspalter aus und wich vier Schritte zurück; »auf denn, o Feueratem, mach ein Höllenfeuer!«
Feueratem will gehorchen, doch alsbald riÿchten sich hundert Spritzen gegen seinen Mund, füllen den mit einer Wasserflut, und nur ein dichter Rauch qualmt aus ihm hervor. Dieser Hilfe beraubt, ruft der bestürzte Feldhauptmann Wolkengreifer zu seinem Schutze, der über dem Heere mit einer Ladung von Hagel und Donner schwebte; aber alle Scheren der dritten Reihe von Bigstafs Leuten sind in der Luft, zerschneiden die unsichtbaren Fäden und leiten das Unwetter auf das feindliehe Heer ab.
Als er sich also zu einem ehrenvollen Rückzuge gezwunen sah, wollte Bergspalter sein letztes Hilfsmittel anwenden und ließ Immerschlaf zum Marsche trommeln; aber dank der Wolle, mit denen die Ohren der Krieger verstopft waren, wurde das feindliche Heer dadurch nicht in Schrecken versetzt; man umzingelte Bergspalter; der Trommler schlug zwar mit verdoppelten Schlägen seinen ungeheuren Bauch, doch der furchtbare Lärm betäubte nur die eigenen Gefährten, die Hals über Kopf flohen; Bergspalter aber blieb das Schlachtopfer; der Gewalthaber von Kallakahalaba zerschmetterte ihn mit seiner Keule; Immerschlaf barst der Bauch, Feueratem erstickte in seinem eignen Bauche, die Übrigbleibenden retteten sich, so gut sie es vermochten, und suchten ihre Sicherheit in den Höhlen, die ihnen als Unterschlupf dienten.
Die Geschichte von Hurschid und Ferahschad
Vor alters herrschte in Persien ein König mit Namen Siaûr; von allen Frauen seines Harems wurde nur eine einzige, die er am meisten liebte, schwanger; und auch dieses glückliche Ereignis schrieb man noch dem wirkungsvollen Gebete mehrerer Derwische, Santome und Mollas zu, die der Sultan reichlich begabt hatte, auf daß sie ihm von Gott eine zahlreiche Nachkommenschaft erflehen möchten. Der Dienst aber, den sie dem Beherrscher Persiens leisteten, ging nicht so weit; denn die Sultanin brachte nur eine Tochter zur Welt, über deren Schicksal sogleich alle Sterndeuter und Weisen des Reiches befragt wurden. Einige von ihnen brachten nun Dinge vor, die ganz ungereimt waren; die kundigsten jedoch weissagten: Die neugeborene Prinzessin werde eine vollkommene Schönheit werden und dabei bewunderungswürdige Geistesgaben und Eigenschaften haben; aber ihre Schönheit werde so groß sein, daß man sie nicht ungestraft und ohne Gefahr, auf der Stelle des Todes zu sein oder wahnsinnig zu werden, ansehen könne; sie dürfte demnach Ursache des größten Unglücks werden und die verderblichsten Unfälle für das Reich bewirken, wenn man es unterließe, sie aller Augen zu entziehen, sobald sie fünfzehn Jahre alt geworden wäre.
Nach reiflichem Nachdenken über diese grausame Weissagung meinte der persische Sultan, daß es viel sicherer wäre, ein so gefährliches Wesen zu töten, als es stets zu bewachen, um allen Unglücksfällen vorzubeugen, die ihre Schönheit verursachen könnte.
Und er teilte diesen Entschluß der Sultanin mit. Die aber entsetzte sich darob; kaum vermochte sie ihren Schauder bei dem bloßen Gedanken zu verbergen, ihr Kind getötet zu sehen, und bat, daß man ihr solches selbst übertrage. Als nun der verhängnisvolle Augenblick kam, halfen ihre beiden Vertrauten,
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