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Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen

Titel: Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anonymer Verfasser
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wahrhafte Empfindung wiedererkannte. Da erinnerte er sich lebhaft der schönen Hurschid und ihrer Züge und ihrer Augen, deren Glanz eine so furchtbare Wirkung hervorbrachte, und stieß einen lauten Schrei aus und sank in Ohnmacht. Dieser Vorfall erregte die Aufmerksamkeit des Volks und auch des Sängers; der geschickte Mann befragte nun selbst den persischen Hauptmann, und nachdem er sein Abenteuer vernommen hatte, schmeichelte es ihm, daß er durch die Schilderung einer erdichteten Liebe die wahrhafte Leidenschaft in einem Herzen wieder erneut hatte. Und er nahm sich des unglücklichen Fremdlings an; der aber bat ihn, ihn mit den Geheimnissen seiner Kunst vertraut zu machen, dieweil er mit Recht überzeugt war, daß er, als von einer glühenden Liebe durchdrungen, sie noch besser ausdrücken würde als andere, die diese Gefühle nicht erfüllten. Wenige Lehrstunden genügten, um den liebesiechen Perser in den Stand zu setzen, mit Begleitung der Laute die Reize der schönen Hurschid auf eine Weise zu besingen, daß es die unempfindlichsten Herzen rühren und den feinsten Geschmack befriedigen mußte. Bald übertraf er seinen Lehrmeister bei weitem. Selbst der Beherrscher des Landes war neugierig, ihn zu hören, und ließ ihn in seinen Palast kommen. Mit Vergnügen hörte er ihm zu und fragte ihn, ob denn wirklich eine solche Schönheit lebe wie die, deren Reize er so schildere und verherrliche. Ohne jede dichterische Einkleidung versicherte der Sänger hierauf sehr entschieden, daß sie allerdings lebe und daß es die Prinzessin Hurschid sei, die Tochter des Königs Siaûr. Auf der Stelle entbrannte Bogakan für sie, denn er war einer der hitzigsten Liebhaber des schönen Geschlechts, die jemals die Tatarei hervorgebracht hat, und wollte durchaus die Prinzessin sehen, ja sie besitzen. Nachdem er sich vielmals die Geschichte der Schönen hatte wiederholen lassen und was von ihr geweissagt worden war, wie ihr Vater sie in dem kleinen Landpalaste wiedergefunden, wie sie den Tod des einen der vier Begleiter des Königs verursacht und auf die übrigen einen solchen Eindruck gemacht, und nachdem er endlich alle seine Gedanken hierüber seinem Großwesir Toromtai mitgeteilt hatte, beschloß er, diesen nach Dschenabad zu schicken, um förmlich um die Prinzessin von Persien anzuhalten.
    Nie gab es eine glänzendere Gesandtschaft: der tatarische Wesir erhielt ein Gefolge und einen Troß wie ein König; man gab ihm so kostbare Geschenke mit, daß sie für Schätze gelten konnten. Er kam nun in Persien an und hegte gar keinen Zweifel an dem Erfolg seiner Sendung; er brachte seine Werbung bei dem guten Könige Siaûr mit dem Stolze eines Ministers an, der den Leuten eine Ehre zu erzeigen wähnt, wenn er ihnen die Befehle seines Herrn kundtut.
    Der König von Persien fühlte sich dadurch mehr in Verlegenheit gesetzt als geschmeichelt. Nachdem er den Abgesandten ehrenvoll aufgenommen hatte, erbat er sich eine Frist, um eine so wichtige Angelegenheit zu überlegen. Er beriet solches erst mit der Sultanin, Hurschids Mutter, und dann auch mit ihr selbst. Die eine wie die andere baten ihn inständig, ihnen das Herzeleid einer so widerwärtigen Verbindung zu ersparen; und in der Tat war der König Bogakan, wenn man nach seinem Wesir auf ihn selbst schloß, ein solcher Fürst, daß man sich ebensosehr scheuen mußte, ihn zu heiraten, als ihn zu bekriegen. Der gute König Siaûr war ganz der Meinung seiner Gemahlin und seiner Tochter; doch war er in großer Verlegenheit, wie er seine abschlägige Antwort geben sollte. Um sich die Unannehmlichkeit zu ersparen, sie dem Gesandten mündlich zu erteilen, wählte er einen Ausweg, entließ ihn mit freundlichen Abschiedsworten, überhäufte ihn mit Geschenken und übergab ihm ein versiegeltes Schreiben an den König, seinen Herrn.
    Der Gesandte zweifelte keinen Augenblick daran, daß die Antwort den Wünschen seines Herrn entsprach, und reiste mit ihr wieder nach der Tatarei. Als er heimgekommen war, übergab er die Geschenke und das Schreiben des Königs Siaûr seinem Herrn, der höchlich erstaunte, als er darin eine förmliche Ablehnung fand, die entschuldigt wurde mit dem Herzeleid, das Hurschids Entfernung dem Könige, ihrem Vater, verursachen würde, und durch das Gelübde, das sie dem Propheten Elias getan hatte, sich nicht zu verheiraten.
    Alsbald sind dreimalhunderttausend Tataren auf den Beinen und überschwemmen Persien; sie sind ganz mit Eisen bedeckt, und noch härter als ihr

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