Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen
Stadt; die Nacht hat uns überrascht; wir haben uns verlaufen und befürchten, daß wir den Wachtleuten in die Hände fallen, die uns sicherlich, wenn wir auf sie stoßen, übel begegnen werden. Daher bitten wir dich im Namen Allahs, öffne uns deine Tür und nimm uns bei dir auf; sicherlich wird dir Allah deine Menschlichkeit lohnen!« Der entgegnete: »Solches werde ich fein bleiben lassen, ihr seid eine Bande unverschämter Landstreicher. Ich merke wohl, daß ihr darauf hinauswollt, in mein Gemach zu kommen, um euch mein Essen und meinen Wein schmecken zu lassen, wenn ich euch aufgenommen habe. Macht, daß ihr ein Haus weiterkommt!« Hierüber brach Harun al-Raschid in ein herzhaftes Gelächter aus und sagte dann darauf: »Wahrlich, o Mann, wir sind nichts als Kaufleute!« Da fragte der oben: »Sagt an, habt ihr schon zur Nacht gegessen oder nicht?« »Allah sei gelobt, wir haben längst und reichlich Abendbrot gegessen«, erwiderte der Kalif freundlich. »Wenn dem also ist,« sagte der nun, »mögt ihr heraufkommen, doch erlaube ich es nur unter der Bedingung, die merkt euch gut: was ihr mich auch immer tun seht, ihr sollt euch nicht unterfangen, den Mund zu öffnen und zu reden, sollte euch auch alles, was ihr von mir hört, gar sehr mißfallen!« Da antworteten die drei: »Wir versprechen dir, o Herr, in deinem Gemache stumm und taub zu sein!« Nun kam der Mann die Treppe herunter und öffnete die Türe; der Kalif aber und seine beiden Begleiter folgten ihm in sein
Zimmer. Wie sie dann eintraten, sahen sie einen blumengezierten Tisch, auf dem ein fast noch voller Krug Weines und mancherlei Früchte und gebratene Speisen und Eingemachtes und Zuckerwerk standen. Ohne jeden Umstand setzte sich der Mann nieder und goß einen vollen Becher Weines hinunter. »Geht da in die Ecke und verhaltet euch ruhig«, sagte er zu den Gästen. Schweigend aber gehorchten die; hierauf fing er wieder an: »O ihr Burschen, woher kommt ihr und wohin geht ihr ?« Der Wesir antwortete bescheidenen Tones: »Wir sind Kaufleute aus Mosul und waren dieser Tage bei einigen Kaufleuten hier in Bagdad zu Gaste; und als wir mit unsern Gastgebern reichlich geschmaust und gezecht hatten, verließen wir heute mit sinkender Nacht unsere Freunde, verfehlten jedoch den Weg nach unserem Khan, wo wir Unterkunft gefunden hatten, und verirrten uns dann in diese Gasse. Wir sahen den Widerschein des Lichts aus deinem Gemache und hörten deine Stimme; da nun sagten wir zueinander: »Wir wollen um Gastfreundschaft und Nachtlager in diesem Hause bitten und, wenn es Morgen wird, mit Allahs Willen heimkehren!« Darauf erwiderte der Hausherr: »Beim Himmel, solches glaube ich nicht. Ich sage euch, ihr seid gar keine Kaufleute, sondern Schmierensteher und Diebe, die in die Häuser biederer Leute eindringen und zu unzeitigen Stunden Einlaß zu erlangen suchen. Du da,« fuhr er fort und wandte sich an den Wesir, »o du Dickwanst, o du Misthaufen von Kaldaunen, mit deinem Katzenbarte; ich lasse mich hängen, wenn mir jemals ein Schuft von spitzbübischerem Aussehen begegnet ist!« Dann sagte er zu Masrur: »Und auch du, o du Mohrenfratze, o du Schlotterwanst, was siehst du mit solch gierigen Falkenaugen auf mein Mahl und meinen Wein? Beim Himmel! Einer von euch soll es wagen, nur ein Fingerglied nach meinen Happen auszustrecken, und ich zerschlage euch allen die Knochen im Leibe und jage euch zum Teufel!«
Nach solchen Worten sprang er hastig auf und holte aus einer Ecke des Gemaches einen ungeheuren Prügel herbei, den er unter den Arm nahm, und setzte sich sogleich wieder an seinen Tisch. Da raunte der Kalif seinem Wesir zu: »Denke, bitte, irgend etwas aus, auf daß wir des Mannes Namen und Gewerbe herausbekommen!« »Bei Allah, o Gebieter,« entgegnete der furchtsame Wesir, »wollen wir diesen Rüpel nicht in Ruhe lassen? Sicherlich ist er des Weines voll, und wenn er uns seinen Prügel um die Ohren schlägt, sind wir abgefertigt, und kein Hahn kräht danach!« »Sei doch nicht so furchtsam, o Dscha'afar,« sprach der Kalif, »ich muß seinen Namen und Stand erfahren!« Der Wesir erwiderte: »Dringend, o Herr, bitte ich dich, entschuldige mich; laß uns keine Fragen an ihn stellen!« »Ich fordere Gehorsam und bestehe darauf, seinen Namen zu erfahren, und weshalb er die Nacht auf solche Weise verbringt«, sagte darauf der Kalif.
Während sie so miteinander redeten, fuhr der Gesell mit Trinken fort und bekam mit der Weile eine etwas rosigere Laune und fragte in
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