Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen
bin ein Ungläubiger!«
»Du ein Ungläubiger?« sagte der Eigner, »packe dich, ich führe ein Schiff, das dem Sultan gehört, und darf wahrlich keinen Ungläubigen an Bord nehmen. Deine Gefährten sollen mit mir fahren, doch du mußt zurückbleiben.« Hierauf versetzten die beiden andern Derwische: »O Herr, wir bitten um Vergebung, aber ohne unseren Bruder können wir unmöglich reisen; wir müssen mitsammen fahren oder aber alle drei hierbleiben!« »Wenn es sich so verhält,« sagte der Schiffseigner, »will ich in Anbetreff der göttlichen Gaben, derer ihr teilhaftig seid, den Unglauben eures Bruders übersehen und euch alle drei aufnehmen!«
Die drei Derwische schifften sich nun ein; dem Fahrzeuge aber wehte ein günstiger Wind. Als die drei Derwische auf der Fahrt mit dem Eigner auf Deck saßen, sprach der älteste der Derwische: »Siehe da, die Sultanstochter von Indien sitzt am Fenster ihres Palastes und hält eine Stickerei in der Hand!« »Pest über deine Augen,« rief der zweite Derwisch dazwischen, »die Nadel ist ihrer Hand in diesem Augenblicke entglitten, und ich höre, wie sie auf den Boden fällt!« Da sprach der dritte Derwisch zum Schiffseigner: »O Herr, soll ich nun ein Ungläubiger sein oder nicht ?« worauf dieser antwortete: »Komm mit mir in meine Koje, ich will mich fortan auch mit dir zum Unglauben bekennen!«
Die Geschichte von Basem, dem Grobschmied
Als Harun al-Raschid eines Nachts an einer ungewöhnlichen Schlaflosigkeit litt und gar keine Ruhe finden konnte, sandte er schließlich nach seinem Wesir Dscha'afar; der kam alsbald und warf sich nach seiner Gewohnheit vor seinem Gebieter nieder, indem er ihm ein langes Leben und eine glückselige Herrschaft wünschte. »O Beherrscher der Gläubigen, was gebietet mein Fürst zu dieser späten Nachtstunde?« fragte er ihn. Der Kalif erwiderte: »Ich leide an einer solchen Schlaflosigkeit, daß ich meine Augenlider nicht ein einziges Mal schließen konnte!« »So laß uns denn, o mein Gebieter,« schlug ihm der Wesir vor, »nach dem Tatarengarten, deinem Lieblingsaufenthaltsort, gehen, allwo wir uns an Bäumen und Blumen erfreuen, wo wir dem Gezwitscher der Vögel lauschen und Veilchenduft riechen können!« Da sprach der Kalif: »Nein, der Vorschlag sagt mir nicht zu!« »Beliebt es deiner Erhabenheit etwa,« fuhr der Wesir fort, »in einen deiner Paläste der Vorstadt zu wandern, umdich dort an den Gemälden und Bildern aus vergangenen Tagen zu ergötzen?« »Auch solches ist mir zuwider«, sprach der Kalif. Da hub der Wesir von neuem an: »Wollen wir etwa in deine Sammlung von Naturseltenheiten gehen, vielleicht wird dich ihre Betrachtung zerstreuen.« Da sprach der Kalif: »Nein, auch das wird mich nicht unterhalten können!« »Nun denn, o Herr,« fragte der Wesir weiter, »was sagst du dazu, wenn wir durch die Basare Bagdads und seine Hauptstraßen und Winkelgassen gingen? Da würde sich wahrlich etwas finden, das deinen Mißmut zerstreute!« »Der Vorschlag ist ganz nach meinem Sinne,« fuhr der Kalif fort und sprang auf, »laß uns sogleich aufbrechen!«
Und beide verkleideten sich als Kaufleute; Dscha'afar holte auch noch des Kalifen Schwertträger und Scharfrichter, den Negersklaven Masrur, herzu, und nachdem sich der gleichfalls verkleidet hatte, verließen sie zu dritt den Palast durch eine Geheimpforte und durchstreiften Bagdads Straßen.
Als sie endlich an die Ecke einer abseits gelegenen Gasse kamen, blieb der Kalif stehen, denn die Stimme eines singenden Mannes drang an sein Ohr; und wie er umherblickte, sah er den Widerschein eines Lichtes aus einem oberen Gemache, das gar hell erleuchtet zu sein schien. Er näherte sich mit seinen Gefährten dem Lichte; sie erkannten aber ganz deutlich auf einer gegenüber aufragenden Wand den Schatten eines Mannes, der dem Anschein nach ein Glas in der Hand schwenkte. Sie standen still und hörten den Mann ganz fröhlich singen. Jetzt sagte der Kalif zu seinem Wesir: »Mir ist ganz klar, daß meine Unruhe in dieser Nacht nur eine Unterhaltung mit dem Burschen hier, der sich so seines Lebens freut, zu dämpfen vermag. Klopfe sogleich an die Tür!« befahl er Masrur.
Masrur trat nun heran und pochte bescheiden an. Alsbald hörte der Mann in dem oberen Gemache das Geräusch und trat an das Fenster und rief hinunter: »Welcher Schuft klopft zu so unzeitiger Stunde an meine Pforte ?« Dscha'afar aber blickte hinauf und antwortete ganz höflich: »O Mann, wir sind fremd in dieser großen
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