Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen
Allah! bewahre mich vor Zungenfall.« Der Dieb, der sich nicht hervorzubrechen getraute, harrte die ganze Nacht geduldig aus, und während der Meister sein Morgengebet verrichtete, bei dem das: »O Herr, o mein Allah! bewahre mich vor Zungenfall« nicht vergessen wurde, ging der Dieb seiner Wege.
Der Meister begab sich mit dem vollendeten Goldstoff in das Serail, der Dieb ihm nach. Jener breitete seine Arbeit vor dem Könige aus, und nachdem er sie lange angepriesen hatte, beschloß er endlich seine Lobrede damit, daß er sagte: »Solch ein Stoff findet sich nicht wieder. Deine Erhabenheit wird wohl daran tun, ihn im Schatze aufbewahren zu lassen, auf daß er dereinst bei deinem Leichenbegängnis zum Bahrtuche diene.« Der König, der über Worte von solch unglücklicher Vorbedeutung aufgebracht war, befahl, den Stoff zu verbrennen und den Meister hinzurichten. Der anwesende Dieb konnte sich des Lachens nicht enthalten. Der König wollte die Ursache wissen, und der Dieb bat im voraus um Verzeihung, die ihm denn zugesagt wurde. Dann erzählte er, wie der Stoffwirker die ganze Nacht gebetet habe, Allah möge ihn vor Zungenfall bewahren, und sich dessen doch nicht habe erwehren können. Der König verzieh beiden.
Ebulaina brachte eines Tages dem Kalifen Al-Mahdi ein Gedicht dar. Der Kalif erlaubte ihm, eine Gnade zu begehren als Belohnung für seine Verse. Der Dichter begehrte einen Jagdhund. Al-Mahdi geriet in Zorn; »begehre,« sprach er, »was dir not ist.« »Ich weiß am besten, o Herr, was mir not ist, und begehre einen Jagdhund.« Der Kalif ließ einen bringen. »Nun bitte ich um ein Pferd, auf daß ich bei meinen Jagdpartien nicht zu Fuß zu laufen brauche.« Al-Mahdi gab ihm eine Stute. »O Herr, nun bedarf ich eines Stallknechts, des Pferdes zu warten.« Der Kalif schenkte ihm einen Ägypter. »O Fürst der Rechtgläubigen, wo soll ich jagen? Weise mir zu Gnaden ein Jagdrevier an.« Al-Mahdi verschrieb ihm ein Landgut mit dem dazu gehörigen Jagdrevier. »Aber nun brauche ich jemanden, der mein Haus leitet.« Er erhielt einen Sklaven. »Und wovon soll ich nun mit meiner Familie leben?« Der Kalif schenkte ihm Palmwälder und fragte ihn: »Ist dir vielleicht noch etwas not?« »Ja,« sprach Ebulaina, »das Glück, deine Huld zu besitzen, o Fürst der Rechtgläubigen, und die Erlaubnis, dir für alle diese Gnaden die Hand küssen zu dürfen.« »Die sei dir gewährt,« sprach Al-Mahdi, »und noch obendrein, was du zu begehren vergessen hast, und was, wie mir deucht, zu einem glücklichen Leben nicht weniger not ist: eine schöne Sklavin aus meinem Harem!«
Ein Moslem, ein Christ und ein Jude reisten zusammen. Auf dem Wege fanden sie einen Dinar. Sie wurden aber darüber uneins, wie sie ihn teilen sollten. Der Jude machte den Vorschlag, man solle Mehl und Butter und Zucker für ihn kaufen, um eine Art Halwa oder Zuckerwerk daraus zu machen, das sie dann gemeinschaftlich verzehren würden. Der Vorschlag wurde mit Beifall angenommen. Als das Halwa fertig war, sprach der Jude: »Da wird es wieder Streit über die größeren und kleineren Teile geben. Ich denke, o meine Freunde, wir täten am besten, wenn wir uns niederlegten und schliefen und träumten. Das Halwa werde dann dem, der am schönsten geträumt hat, zuerkannt!« Die andern zwei gingen auch auf diesen Vorschlag ein. Während sie schliefen, aß der Jude das Halwa auf und legte sich dann ruhig nieder. Nachdem sie aufgewacht waren, erzählte der Moslem, ihm sei der Prophet im Traume erschienen, habe ihn ins Paradies geführt und ihm all seine Herrlichkeiten gezeigt. Bei dieser Gelegenheit machte er eine lange und breite Beschreibung der Kosenmatten und der Wohlgerüche, der Milch- und Honigquellen und der schönen Knaben und der Huris mit schwarzen Augen und immer erneuter Jungfräulichkeit. »Das ist prächtig,« schrie der Jude, »du hättest verdient, das Halwa zu essen.« Der Christ erzählte hierauf, wie ihm der Herr Jesus erschienen, ihn für seine Sünden zur Hölle verdammt und ihm ihre Pein gewiesen habe, die er denn auch auf das schaudervollste beschrieb. »Das ist ein sehr interessanter Traum,« rief der Jude aus, »der des Halwas nicht unwürdig gewesen wäre. Mir aber, o meine Freunde, erschien Moses und sprach zu mir: ›Dein Reisegefährte, der Moslem, ist im Paradiese, und der andere, der Christ, in der Hölle, aus der man nicht wieder auf die Erde zurückkehrt. Verzehre denn immer das Halwa, auf daß es nicht verderbe‹, und diesem Rate
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