Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen

Titel: Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anonymer Verfasser
Vom Netzwerk:
waren.« »Ist das richtig?« fragte der Richter bei dem ersten an. »Ja, so ists,« antwortete er, »aber ich belud mit der ganzen Ernte auf meines Gegners Rechnung ein Schiff, das nach Alexandrien segelte.« »Was ist damit geschehen?« fragte der Richter den andern. »Die Baumwolle wurde dort verkauft und deren reiner Ertrag, gerade hundert Dinare, meinem Gegner eingehändigt.« »Was hast du darauf zu erwidern?« fuhr der Richter fort. »Nichts,« war die Antwort, »als daß ich um das Geld Rübensamen kaufte!« »O ihr abgefeimten Spitzbuben!« rief der Richter, »möchtet ihr nicht auch noch Rüben säen und ernten?« und jagte sie fort.
    Ein Schulmeister ging auf den Markt in der Absicht, durch seine Rednerkunst ein Paar Pantoffeln umsonst zu erhalten. »Was kostet dies Paar?« »Zwölf Dirhems.« »O Freund, du bist von der Sekte Mulhad, welche die zwölf Monate verehrt.« »Nun, so gib elf.« »Ei, das riecht nach Aberglauben an Josephs Brüder.« »Zehn.« »Das hieße der zehn Jünger des Propheten spotten.« »Aber neun.« »Bist du vielleicht ein Jude, der an die neun Gebote Moses glaubt?« »So will ich sie dir denn um acht geben.« »Allah behüte! Das ist die Zahl der Engel, welche nach der Schrift den Thron Allahs tragen.« »Nun, sieben wenigstens.« »Scheust du dich nicht, so öffentlich die Lehre der Sabäer, die so viel auf sieben halten, zu bekennen?« »So bleiben wir denn bei sechs stehen.« »Da bin ich zu gewissenhaft, denn das ist die Zahl der Schöpfungstage.« »Aber wenigstens fünf.« »Das ist ja die heilige Zahl der gesetzmäßigen täglichen Gebete.« »Nun, so schließen wir mit vier ab.« »Nein, den vier rechtgläubigen Sekten will ich nicht zu nahe treten.« »Drei.« »Was, kannst du vergessen, daß die Religion die Zahl drei durch die Monate Redsched, Schaban und Ramasan heiligt?« »Nun, wie ich sehe, soll ich auf eins heruntergehen.« »Gottloser Atheist. Eins ist nur Allah.« Der Schuster, ein von Natur abergläubischer Mensch, sagte: »Nimm die Pantoffeln in Allahs Namen hin, sonst verleidest du mir meinen Glauben noch ganz und gar!«
    Ein ausgehungerter Beduine ging an einem Araber vorüber, der soeben seine Mahlzeit hielt, von der er einen guten Bissen zu erhaschen hoffte. »Woher, o Beduine?« fragte der Araber. »Von den Zelten deines Stammes.« »Hast du meinen Sohn Osman nicht gesehen?« »Er springt herum wie ein junger Löwe.« »Was macht seine Mutter?« »Sie brüstet sich in ihren neuen Gewändern und wird von Tag zu Tag sichtbar fetter.« »Und mein rothaariges Kamel?« »O, es befindet sich vollkommen wohl und läuft wie der Blitz.« »Und mein treuer Hund?« »Der läßt keinen Wanderer ruhig vorbeiziehen und bellt, daß es eine wahre Freude ist.« »Und mein Haus ?« »Das steht fester und prangt herrlicher denn je!«
    Als der Beduine sah, daß der Frager unterdessen fast mit der Mahlzeit fertig geworden war, ohne ihm einen Bissen anzubieten, änderte er seinen Plan, um auf eine andere Weise zu dem so sehnlich erwünschten Mittagsmahle zu gelangen. Ein Hund lief vorbei. »Welch ein Unterschied,« rief der Araber voll Wohlbehagen aus, »welcher Unterschied zwischen diesem und meinem Hunde!« »Ja freilich, wenn er noch lebte«, rief der hungrige Beduine aus. »Wie! ist er nicht mehr?« fuhr der Araber auf, »und hast du mich zuvor hintergangen?« »Ich wollte«, erwiderte der Beduine, »dir nicht die Eßlust verderben. Er ist freilich nicht mehr; und das, weil er sich am Fleische deines Kamels überfressen hatte.« »O, der Himmel! auch mein Kamel tot? und wie starb es denn?« »Es wurde am Grabe deiner Gemahlin, der Mutter Osmans, geschlachtet.« »Großer Gott! auch mein Weib verloren! welch ungeheures Unglück! An was starb sie denn?« »Aus Verzweiflung über den Tod deines Sohnes.« »O Unglücklicher! was sagst du, mein Sohn?« »Ja, dein Sohn wurde vom Hause erschlagen, das über ihm zusammenstürzte.«
    Der Araber warf sich verzweiflungsvoll zur Erde nieder und wälzte sich im Sande, während der Beduine ruhig den Überrest der Mahlzeit verzehrte.
    In indischen Büchern findet sich folgende Geschichte aufbewahrt:
    Ein Dieb stahl sich in die Werkstatt eines Verfertigers von Goldstoff, wo er sich versteckt hielt, um bei einbrechender Nacht seinen Anschlag auszuführen. Der Meister, der mit einem angefangenen Gewebe fertig werden wollte, arbeitete die ganze Nacht hindurch und wiederholte von Zeit zu Zeit eine Art von Stoßgebetlein: »O mein Herr und

Weitere Kostenlose Bücher