Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen
wie dieser leibt und lebt«, und verschwand. Dschahis war wie aus den Wolken gefallen und fragte endlich den Maler, was dies sagen wolle. »Diese Frau hatte soeben ein Bild des Teufels bei mir bestellt; ich entschuldigte mich damit, daß ich ihn noch nie gesehen habe, sie versprach, ihn mir zu zeigen, und siehe, sie hat Wort gehalten!«
Die Geschichte von der Reise der drei jungen Söhne des Königs von Sarandib.
Vor alters lebte im Orient und zwar im Lande Sarandib ein großer und mächtiger König mit Namen Dscha'afar, der hatte drei männliche Kinder; weil er nun einsah, daß er sie als Herren von großer Macht zurücklassen müßte, beschloß er als ein weiser und liebevoller Vater, sie auch mit allen Tugenden versehen, die einem Fürsten geziemen, zurückzulassen. Dieserhalb zeigte er großen Eifer, in seinem ganzen Lande einige Männer zusammenzubringen, die sich in verschiedenen Wissenschaften auszeichneten; und nachdem er ihnen ein geräumiges und großes Gemach, wie es ihrem Stande angemessen war, bezeichnet hatte, in das auch kein anderer eintreten durfte, überließ er ihnen die sorgfältige Erziehung seiner Söhne, zumal er vermeinte, daß er seinen Söhnen nichts Köstlicheres zu geben vermöchte, als sie derart unterrichten zu lassen, auf daß man sie als seiner würdig erkennen könnte. Die Lehrmeister sind nun dem gegebenen Befehle, die Söhne zu unterrichten, mit solch großem Eifer nachgekommen, jeder in seinem Fache, um dem Befehle ihres Herrn genugzutun, daß sie die Söhne, die mit dem besten Verstande begabt waren, in kurzer Zeit in der Wissenschaft und den Dingen, die für Fürsten so wertvoll sind, über alle anderen ihres Alters und Standes weise und gelehrt machten. Als dem Könige dies eines Tages gemeldet wurde, konnte er nicht glauben, daß sie so bald solch große Fortschritte gemacht hatten, und beschloß, sich selbst durch eine Probe davon zu überzeugen; und kurz darauf rief er seinen ältesten Sohn zu sich und redete ihn also an:
»Du weißt, o mein Sohn, wie lange ich die Last einer so großen Herrschaft und die Leitung eines so weiten Reiches getragen und nach Maßen meiner Kraft über meine Völker und Untertanen immer sorgsam und mit solcher Liebe und Barmherzigkeit regiert habe, daß ich um so viel Größeres leisten konnte, als es der Wille Allahs durch mich ja auszuführen vermochte. Jetzt nun bin ich zu so hohem Alter gekommen, daß es billig ist, wenn ich, nachdem ich so lange Zeit um das Wohl meiner Untertanen und der meiner Herrschaft angehörigen Staaten Sorge getragen habe, den kurzen Lebensabend, der mir noch bleibt, zu Betrachtungen meiner selbst und des Heiles meiner Seele verwende. Ich habe auch beschlossen, mich in ein nicht gar zu fernes Kloster zurückzuziehen, wo ich in aller Stille meiner Sünden und der meiner Seele zugefügten Beschädigungen gedenken und darüber möglichst große Reue tragen kann, auf daß ich die Verzeihung des Allmächtigen erlange und von ihm für jede Beleidigung Ablaß bekomme. Weil nun du mein ältester Sohn bist, habe ich dich vor mich rufen lassen, um dir kundzutun, daß du mir in meiner Herrschaft und in der Verwaltung dieses Reiches nachfolgen sollst. Und ich bitte dich besonders, dir deine Brüder wie deine eigenen Söhne angelegen sein lassen und sie immer mit der Sorge behandeln und mit der Liebe umarmen zu wollen, die ihnen zukommt; des weiteren, daß du jedem die gleiche Gerechtigkeit zuteil werden lässest und bei allen deinen Handlungen die göttliche Erhabenheit vor Augen habest und mit Milde und Liebe die Untertanen und Völker deiner Staaten beherrschest, und dich besonders derer, die in armen und kläglichen Verhältnissen sind, immer annehmest. Ehre mit jeder Art von Ehre die alten und gebrechlichen Menschen, strafe die Bösen und Verruchten. Tu dein möglichstes, stets die Gesetze und Anordnungen der göttlichen Erhabenheit und dieses Reiches vor Augen zu haben!«
Der kluge und weise Sohn konnte sich nicht genugsam über solche Reden und Ratschläge seines Vaters wundern; und nachdem er ihm erst seine Ehrfurcht bezeigt hatte, antwortete er ihm solchermaßen:
»O mein Gebieter, ich habe deinen Rat und Beschluß, den du mir auszuführen auferlegt hast, auf das trefflichste verstanden. Weil es mir aber tadelnswert zu sein scheint, daß ich zu deinen Lebzeiten herrschen und dein Reich innehaben soll, und ich auch weiß, daß ich niemals ein Auge von solcher Größe finden kann, das dein Strahlenauge überstrahlt, und
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