Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen

Titel: Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anonymer Verfasser
Vom Netzwerk:
und der Gauner waren mit diesem Vorschlage einverstanden. Darauf sprach der Gauner: »Heute will ich einen Gaunerstreich ausführen, begehe du morgen einen Diebstahl!« Alsbald stand der Gauner mit dem Diebe auf, und sie gingen zusammen auf den Markt. Der Gauner sah unterwegs, daß ein Franke tausend Golddinare zählte, sodann in einen Beutel tat, diesen in eine Rocktasche steckte und auf den Markt ging. Sogleich machte sich der Gauner schnell an ihn heran, zerschnitt die Rocktasche des Franken mit einem Messer, zog den Beutel heraus, nahm ihn und ging auf einen weiten Platz. Hier nahm er neun Golddinare heraus, warf seinen silbernen Siegelring hinein, auf dem sein Name eingegraben stand, und steckte den Beutel wieder in die Tasche des Franken. Diese Gaunerstücke sah der Dieb alle, aber der Franke merkte nichts davon. Der Gauner kam in kurzem auf einem Umwege vor den Franken, packte ihn am Kragen, schlug ihn einige Male und sprach: »Heda, o Verfluchter, warum hast du mir meinen Beutel mit tausend Golddinaren genommen?« Der Ungläubige sagte ohne weiteres: »Sie gehören ja mir!« Aber das half ihm nichts; der Gauner führte ihn vor den Kadi und verklagte ihn. Der Kadi fragte den Ungläubigen: »Wie viele Golddinare waren darin?« Erwiderte der: »Es sind volle tausend Golddinare!« Sprach der Gauner: »Du lügst, es sind tausend weniger neun, und auch mein Siegelring, auf dem mein Name eingegraben steht, befindet sich darin!« Der Kadi ließ den Beutel ausschütten, und auch der Siegelring fiel mit heraus. Man zählte die Golddinare, und es kamen tausend weniger neun heraus. Der Kadi gab dem Ungläubigen einige Backenstreiche, und dem Gauner überreichte er den Beutel. Dieser nahm ihn auch an und brachte ihn mit dem Diebe zur Frau. Diese und der Dieb lobten ihn sehr.
    Als es Nacht geworden war, nahm der Dieb eine Strickleiter und ging mit dem Gauner an den Palast des Königs. Der Dieb befestigte hier die Strickleiter mittels des an ihr befindlichen Hakens. Er selbst stieg zuerst hinauf und ließ dann den Gauner folgen. Der Dieb nahm den Gauner und führte ihn zu des Königs Schatzkammer, brachte mehrere Schlüssel hervor und schloß die Türe auf. Durch die trat der Dieb mit jenem herein und sprach: »Soviel Gold und Silber du fortbringen kannst, nimm mit dir!« Als sie nun nach Herzenslust genug fortgeschleppt hatten, kehrten sie um und kamen an den Ort, wo der König schlief. Der Gauner sprach: »Was tust du?« Erwiderte der Dieb: »Ich gehe und frage den König, ob deine Geschicklichkeit größer ist als meine!« Sprach der Gauner: »Komm um Gottes willen, wir wollen fortgehen: ich will hiermit auf die Frau Verzicht geleistet haben!« Der Dieb erwiderte: »Nein, ich gebe die Sache nicht eher auf, als bis ich den König wirklich darum gefragt habe!« Der Dieb ging hinein und sah, daß der König schlief, und daß ein Page dessen Fuß rieb und bald wachte, bald schlief. In seinem Munde kaute er Mastix. Der Dieb ging hinein und verbarg sich ziemlich leise unter dem Thronsessel, steckte eines Pferdehaares Spitze dem Pagen in den Mund, und der Page kaute zugleich mit dem Mastix das Haar. Der Dieb zog dann an dem Haare und stahl auf diese Weise den Mastix aus des Pagen Munde hinweg. Der Page schlug seine Augen auf und suchte bald hier, bald dort seinen Mastix, fand ihn aber nicht. Als einige Zeit vorüber war, schlief er wieder ein. Der Dieb hielt ihm nun ein betäubendes Mittel an die Nase, und der Page verlor die Besinnung. Da stand der Dieb auf und hing den Pagen an seiner Hüfte an der Decke wie eine Lampe auf, nahm des Königs Fuß auf sein Knie und fing an, ihn zu reiben. Diesem ganzen Treiben sah von draußen der Gauner zu, und indem er seinen Hals hineinsteckte, rief er: »Komm um Gottes willen, wir wollen gehen!« Sprach darauf der Dieb zum Könige: »O König, ich will dir etwas erzählen, wenn du mir von deiner Schlafstätte aus zuhören willst!« Sprach der König: »Erzähle, wir wollen hören!« Darauf fing der Dieb an, dem Könige seine ganze Geschichte mit dem Gauner von Anfang bis zu Ende bis dahin zu erzählen, wo er mit dem Gauner gekommen und in die Schatzkammer eingetreten sei, seinen Begleiter draußen vor der Schlafstätte des Königs gelassen, selbst aber darin durch List dem Pagen den Mastix aus seinem Munde gestohlen, jenen oben an der Decke aufgehängt und selbst den Fuß des Königs gerieben habe. Alle diese Streiche erzählte er dem Könige; der Gauner aber steckte schon zum zweiten Male

Weitere Kostenlose Bücher