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Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen

Titel: Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anonymer Verfasser
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von draußen seinen Kopf herein. Der Dieb jedoch fuhr fort: »O König, ist die Geschicklichkeit des Gauners größer, oder die des Diebes? Welchem von ihnen beiden soll die Frau gehören?« Der König erwiderte: »Die Geschicklichkeit des Diebes ist größer, also gehört ihm auch die Frau!« Nachdem er noch ein wenig des Königs Fuß gerieben hatte, und der König wieder eingeschlafen war, stand der Dieb auf und ging mit dem Gauner nach Hause, wo er der Frau diesen Vorfall, des Königs Antwort und das Geständnis des Gauners erzählte. Die Frau lobte ihn auch dafür sehr und nahm ihn sich von nun an allein zum Manne.
    Als es Morgen geworden war, erwachte der König und fand den Pagen an der Decke aufgehängt. Und erkannte, daß der, welcher ihm während der Nacht seinen Fuß gerieben und alle die Dinge getan hatte, wohl der Dieb gewesen sein möchte. Er wunderte sich sehr darüber; alsobald ließ er aber durch einen Herold ausrufen: »Wer dies auch immer getan haben mag, fürchte sich nicht, sondern komme – es soll ihm, bei Allah, von mir kein Leid geschehen! Das Geld, das er sich aus dem Schatze genommen hat, soll sein rechtmäßiges Eigentum sein! Auch will ich ihm ebensoviel als tägliches Gehalt aussetzen!«
    Als der Dieb solches hörte, ging er zum König und gab sich ihm zu erkennen, legte ein reuiges Geständnis seiner Missetaten ab und unterließ sie von nun an. Der König verzieh ihm sein Vergehen und schenkte ihm ein Ehrenkleid, setzte ihm ein Gehalt aus, und er genoß von jetzt an bei dem König die höchste Gunst.

Die Geschichte Moradbaks
    Hudschadsch, einen der berühmten Perserkönige, befiel eine so hartnäckige Schlaflosigkeit, wie sie noch niemals ein Beispiel gegeben hatte; sie regte sein Blut so erstaunlich auf, daß er grausam und wild wurde nach Sanftmut und Menschlichkeit, welche er bezeigt hatte, als er sich der Ruhe wie andere Menschen erfreute.
    Er hatte zwar seit zwanzig Jahren alle Heilmittel der Weisen und der berühmten Ärzte des Orients angewandt, doch waren alle ihre Ratschläge und Heilmittel nutzlos gewesen. Endlich wußte er nicht mehr, welches Mittel er gebrauchen sollte, um den Schlaf wiederzufinden, und gab seinem Wesire, der gewöhnlich bei ihm wachte, Befehl, einen Mann mit Namen Fitead vor sich zu führen, der die Wache des Palastes und eines besonderen Gefängnisses versah, das diesem angeschlossen war. Hudschadsch hatte sich eingeredet, daß ein so seßhafter Mann, der ein Pförtner und Kerkermeister alles in einem war, gewiß vieler Menschen Geschichte und Unglück habe erzählen hören, und daß diese Erzählungen ihm vielleicht den Schlaf wiederbringen könnten. Als Fitead nun vor ihm stand, sprach er zu ihm: »Ich kann keine Ruhe finden und will, daß du mir Geschichten erzählst!« »Ach, o erlauchter Gebieter,« verwahrte sich Fitead dagegen, »ich kann weder lesen, noch habe ich Gedächtnis; und ich habe mich immer damit begnügt, die Tore deines königlichen Palastes genau zu schließen und die Gefangenen, die du mir anvertraut hast, sorgfältig zu bewachen; und ich habe niemals an andere Dinge gedacht!« »Ich glaube, daß du die Wahrheit sprichst,« sagte Hudschadsch dawider, »doch wenn du mir niemand ausfindig machst, der mir Geschichten erzählt, die mich einschlafen lassen oder mich unterhalten, wenn ich schlaflos daliege, so lasse ich dich des Todes sterben. Gehe nun; ich gebe dir drei Tage, um meinen Befehl auszuführen; kommst du ihm nicht nach, halte ich dir mein Wort.«
    Beim Weggehen sagte Fitead zu sich selbst: ›Niemals werde ich Ärmster ausführen können, was mir der König befiehlt, und weiß mir keine andere Rettung, als das Land zu verlassen und mein Heil anderswo zu versuchen!‹ Indessen ging er durch die Stadt und befragte alle, die ihm begegneten, ob sie keinen Menschen kennten, der Geschichten oder Märchen wüßte, die Schlaf bewirken könnten; doch machte sich jedermann über seine Frage lustig und ließ ihn in seiner Erregung. Er kehrte sehr traurig und sehr niedergeschlagen heim. Fitead aber war Witwer und hatte eine Tochter im ungefähren Alter von zwölf Jahren, die sehr schön war und auch viel Witz hatte; die hieß Moradbak oder Erfüllung des Wunsches. Sie bemerkte gleich den Kummer, der ihren Vater drückte; sie stellte daher so flehentliche Fragen an ihn, daß er ihrer Neugierde bald Genüge tat. Moradbak beschwor ihn, sich nicht weiter zu betrüben und auf Allah sein Vertrauen zu setzen, indem sie versicherte, daß sie

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