Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen
Geruch jenes Knoblauchgerichts nicht in die Nase kommen; und aus diesem Grunde habe ich mir mit meinem Ärmel den Mund zugehalten!« Der König fragte ihn weiter: »Was hast du mit dem Briefe angefangen, welchen ich dir gab?« Und er erwiderte: »Ich nahm den Brief und ging hinaus. Jener selbe Mann kam mir entgegen und fragte mich: ›Was ist das für ein Schreiben?‹ Worauf ich versetzte: ›Der König hat es mir gegeben.‹ Da erbat er es sich von mir mit den Worten: ›Ich will gehen und alles, so er geben wird, in Empfang nehmen; und dann wollen wir es untereinander teilen!‹ Da ich mich nun schämte, ihm diese Bitte abzuschlagen, weil er mich in sein Haus genommen und ehrenvoll bewirtet hatte, so gab ich ihm den Brief. Weiter habe ich ihn nicht gesehen!« Als der König diese Rede von seinem Hausfreunde vernommen hatte, erkannte er, was vorgefallen war, und sah ein, daß jeder, der etwas Gutes oder Böses tut, es ganz allein auf seine Rechnung tut.
Die Geschichte von Dalla El-Muhtala und ihren zwei Männern
In der Stadt Kairo lebte einmal eine Frau, die man Dalla el-Muhtala hieß. Ihre Geschichte ist bei Arabern und Persern wohlbekannt. Diese Frau hatte zwei Männer: jeder von ihnen glaubte, sie wäre nur seine Frau. Die beiden Männer kannten einander nicht, und keiner von ihnen wußte, daß die Frau außer ihm noch einen andern Mann hatte. Einige Zeit hindurch diente sie ihnen als Frau, und keiner wurde auf diesen Umstand aufmerksam. Der eine von ihnen war ein Gauner, der andere ein Dieb, und sie alle beide waren Schüler der Frau.
Eines Tages kam der Gauner zu seiner Frau und sprach: »Heute ist meine Gaunerei entdeckt worden; gib mir Reisekost; ich will auf einige Tage nicht mehr in die Stadt kommen.« Ein Kuchen und ein Hammel fanden sich bei der Frau vor. Diese zerschnitt sie in zwei Hälften und gab die eine Hälfte von beiden dem Gauner zur Reisekost. Der Gauner nahm sie und ging seines Weges.
Nach einiger Zeit kam der Dieb und sprach: »Heute ist mein Diebstahl entdeckt worden, gib mir Zehrung, ich will auf einige Tage nicht mehr in die Stadt kommen!« Die Frau gab dem Diebe die noch übrige Hälfte des Kuchens und des Hammels. Der Dieb nahm sie auch und ging seines Weges.
Der Gauner war auf seinem Wege an einem Brunnen und an einem schattigen Orte angelangt und hatte sich daselbst gelagert. Bald nachher kam auch der Dieb hier an. Als sie nun im Schatten saßen, legten sie ihre Zehrung in die Mitte, um sie zu essen. Der Gauner wie der eben angelangte junge Mann blickten beide auf ihren Kuchen und wurden gewahr, daß, als sie die Hälften zusammenhielten, sie beide einen Kuchen ausmachten. Ihre Hammelstücken hielten sie ebenfalls aneinander und sahen, daß sie auch einen Hammel ausmachten. Der Gauner sagte alsbald zum Diebe: »Es ist wohl erlaubt, den Reisegefährten zu fragen: Woher kommst du?« Jener erwiderte: »Aus Kairo!« Der Gauner fragte weiter: »Aus welchem Stadtviertel?« Der entgegnete: »Aus dem und dem Stadtviertel?« »Wo«, fragte ersterer weiter, »liegt dein Haus?« Erwiderte er: »Auf dem und dem Platze!« »Wie«, fragte der Gauner noch, »heißt deine Frau?« Er versetzte dawider: »Dalla el-Muhtala!« »Heda, o mein Bruder,« fuhr jener fort, »die Frau, welche du genannt hast, ist ja meine Frau, jenes Haus mein Haus; es sind einige Jahre her, daß sie meine rechtmäßig erkaufte Ehefrau und jenes Haus mein Haus ist. Warum lügst du?« Der Dieb entgegnete: »Heda, o Mann, bist du verrückt, oder spaßest du? Es sind einige Jahre her, daß sie meine rechtmäßig erkaufte Ehefrau ist. Was sprichst du da?« Mit diesen Worten erhob sich zwischen ihnen ein Streit. Der Gauner sagte: »Wir brauchen uns darüber gar nicht zu streiten; komm, wir wollen gehen und die Frau selbst darum fragen! Dann muß es sich ja zeigen!«
Mit diesen Worten machten sie sich auf und kamen zur Frau. Als die sie wiedersah, wußte sie, was es zu bedeuten habe, stand auf und legte einem jeden von ihnen ein Kissen hin. Sie setzten sich; sie aber ging und setzte sich ihnen beiden gegenüber. Darauf sprach der Gauner: »O Frau, es ist uns heute eine schwierige Frage aufgestoßen: bist du das Weib dieses Mannes oder meines?« Die Frau erwiderte: »So wahr ich lebe, waret ihr bis jetzt alle beide meine Männer, und ich war auch die Frau von euch beiden! Von jetzt ab aber wird derjenige von euch mein Mann sein, der in seinem Geschäfte geschickter als der andere ist und mir mehr nach Hause bringt!«
Der Dieb
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