Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen
des Turmes schauend, sprach er, da sein Herz voll Bitterkeit gegen das Weib war, das ihn einer so großen Gefahr ausgesetzt hatte: »O du böses und verruchtes Weibsbild, da, wo du jetzt bist, sollst du wahrlich durch mich sterben, weil es gerecht ist, daß du des Todes sterben sollst, den mir der Herrscher dank deiner Zunge zugedacht hat!« Um hier von keinem angetroffen zu werden, hob er nach solchen Worten das Seil auf, das er aus der Winde gezogen hatte, und warf es zusammen mit den Seidenfäden und dem dünnen Stricke, der mit dazu geholfen hatte, ihn vom Turm herunterzulassen, in einen Bach in des Turmes Nachbarschaft. Hierauf wanderte er die ganze Nacht über, auf daß er nicht von irgendwem gefangengenommen und abermals mit Gewalt vor den Herrn geführt würde, und kam in einen ziemlich weit von der Stadt entfernt liegenden Ort, wo er niemand bekannt war; seine Frau hatte er auf der Höhe des Turmes schmerzensreich und sehr erschrocken zurückgelassen. Die aber glaubte, hier sicher sterben zu müssen, und brachte die ganze Nacht in bitterem Weinen zu; und wie der Tag erschien, schrie sie nach Hilfe und Rettung. Viele Reisende nun, die durch diese Gegend kamen, hörten ihr wildes Geschrei an. Bald gelangte aber die Botschaft an den Herrn, daß auf dem Turme, wo er den Goldschmied desTodes sterben zu lassen gedächte, sich dessen Weib befände, das gar bitterlich weinend die Vorübergehenden um Hilfe und Rettung anflehte. Da befahl der seinen Dienern sogleich, sie sollten nach dem Turme gehen und sie in seinen Palast bringen. Dies wurde unverzüglich von ihnen ausgeführt; und als die Frau vor dem Gebieter erschienen war, erzählte sie ihm des breiten das ihr zugestoßene Unglück. Als der Herrscher des Goldschmieds Klugheit und die List, mit der er sein Weib betrogen hatte, erfuhr, konnte er sich des Lachens nicht enthalten und ließ selbigen Tages in der Umgebung des Turmes verkündigen, wenn der Goldschmied vor sein Angesicht träte, sollte er für sein Vergehen Verzeihung erlangen. Die Nachricht aber kam dem Goldschmied zu Ohren; er ging nun ganz froh und heiter in die Stadt zurück und zeigte sich vor seinem Herrn, der sich von ihm die ganze Geschichte noch einmal ausführlich erzählen ließ und sich darob vor Lachen schüttelte. Und er ließ das Weib vor sich kommen, versöhnte es mit dem Gatten und verzieh diesem sein Vergehen. Hierauf vermachte er dem andern Goldschmied, der den Diebstahl offenbart hatte, ein Besitztum bei der Stadt, von dessen Erträgen er seine ganze Familie ernähren konnte, und nachdem er auch den Frieden zwischen den beiden Goldschmieden hergestellt hatte, schickte er sie zufrieden und fröhlich in ihre Häuser zurück.«
Es läßt sich nicht sagen, wieviel Vergnügen Behram-Gur und jedem, der die Erzählung angehört hatte, der seltsame Possen, den der gute Goldschmied seinem Weibe gespielt hatte, gemacht hat. Nachdem der Geschichtenerzähler geendigt hatte, begann man einen lieblichen Tanz aufzuführen, und da er Behram-Gurs Herz genugsam erfreute, wurde er für ihn die Ursache noch besseren Wohlbefindens. Weil esnun ziemlich spät war, wurden die Tische hergerichtet; und nach eingenommenem Mahle ging ein jeder in sein Gemach, um sich auszuruhen. Und als der folgende Morgen, nämlich der Donnerstag, angebrochen war, bekleidete sich das ganze Gefolge, da der vierte Palast mit gelben Verzierungen geschmückt war, mit Gewändern in derselben Farbe und begab sich alsbald dahin. Nach seiner Ankunft dort unterhielt sich Behram-Gur wie gewöhnlich eine gute Zeitlang mit der Jungfrau, die hier war; und nach dem Mahle ließ er den vierten Geschichtenerzähler vor sich kommen und befahl ihm, auch irgendein schönes Geschehnis zu erzählen. Als dieser aber dem Fürsten die schuldige Ehrfurcht erwiesen hatte, begann er seine Geschichte folgendermaßen:
»Es lebte einst in der alten Stadt Bagdad ein Sultan, der einen Sohn hatte mit Namen Rammo; als dessen Mutter, die Sultanin, gestorben war, nahm sein Vater eine andere Frau. Die aber achtete weder ihrer noch ihres Gatten Ehre; und der Jüngling merkte, daß sie gar sehr in den Wesir seines Vaters verliebt war. Hiervon sprach er jedoch zu niemanden; doch um die Ehre des Vaters über die Maßen besorgt, wachte er, so vorsichtig er es nur konnte, über ihr Tun und Lassen. Als er nun wahrnahm, daß sie eines Tages mit dem Wesir in den Garten ging, folgte er ihnen heimlich, und sich hinter einem Buschwerk versteckend, sah er, daß sie sich bei
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