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Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen

Titel: Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anonymer Verfasser
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einem frischen Quell, der im Garten war, niederlegten und sich dann mehrere Male genossen. Da wurde er von heftigem Zorn ergriffen und wußte nicht, was er tun sollte; und wie er aus dem Gebüsche hervortreten und aus dem Garten gehen wollte, wurde er von ihnen gesehen. Darüber gerieten die beiden in großen Schrecken, und da sie nicht daran zweifelten, daß der Jüngling seinem Vater ihre Missetat entdeckenwürde, beschlossen sie, den Jüngling des Vergehens, welches sie begangen, bei dem Vater zu bezichtigen. Als Rammo nun den Garten verlassen hatte, kehrten auch sie schnell in den Palast und in ihre Gemächer zurück. Und zu ziemlich später Stunde desselbigen Tages ließ der Sultan etlicher Geschäfte halber den Wesir rufen, und da er ihn ganz nachdenklich sah, sprach er zu ihm: »Sag mir bei deiner Ehre, was dir jetzt durch den Kopf geht, da ich dich gegen deine Gewohnheit schwermütig und traurig dastehen sehe!« Da antwortete der Wesir: »O Gebieter, ich darf niemandes Ankläger sein, auch ziemt es sich bei dem Amte nicht, das ich bei dir verwalte; falls ich dir aber ein großes Verbrechen nicht offenbare, beleidige ich dich schwer und verdiene die Ehre wenig, dein Freund zu sein!« Als er solches von dem Wesir vernahm, drang der Sultan darauf, ihm alles sogleich zu offenbaren. Der Wesir erwiderte: »Da du es willst, muß ich freilich deinem Befehle gehorchen. Wisse denn, ich habe zu often Malen bemerkt, daß dein Sohn leidenschaftlich in die Sultanin verliebt ist, und habe es zu often Malen mit eigenen Augen gesehen, wie er, um sie zu genießen, ihr wild und heftig zugesetzt hat; und erst gestern habe ich einen heftigen Streit zwischen ihnen solcher Ursache wegen gesehen; auf daß du dich aber besser darüber unterrichtest, gehe zu der Sultanin, die, wenn du ihr erzählst, was ich gesehen habe, dir sicherlich alles sogleich offenbaren wird, auf daß sie nicht länger die Unverschämtheit des verworfenen Jünglings zu erleiden braucht.« Als der Wesir seine Rede beendigt hatte, war der Sultan ganz ergrimmt und hatte das Herz voller schwarzer Gedanken der Beleidigung halber, die ihm sein Sohn zugefügt hatte; er ging in das Gemach seines Weibes, traf sie bitterlich weinend an und fragte sie nachdem Grunde ihres Schmerzes. Da tat sie nun, als ob sie ihm nichts sagen wollte, und bat ihn, er möge von ihr gehen und sie ihrem traurigen Zustande überlassen. Er aber, der die Ursache ihres Kummers von dem Wesir gehört hatte, tröstete sie mit liebreichen Worten und bat sie gar innig, sie möchte ihm den Grund ihrer Not erzählen. »Da du mir solches befiehlst,« sprach das schlechte und elende Weib, »so wisse, o Gebieter, daß man bei niemanden auf der Welt Treue finden kann. Allah ist mein Zeuge, daß ich das große Ungemach, das ich dir jetzt erzählen will, um deiner und meiner Ehre willen ewiglich habe für mich behalten wollen; doch da du mir gebietest, ich soll dir mein großes Mißgeschick offenbaren, so wisse denn, ich werde seit vielen Tagen von deinem ruchlosen und verderbten Sohne gar heftig verfolgt, weil er will, daß ich ihm meine Ehre opfern soll, und deswegen hat er mich zu often Malen hart und grausam geschlagen. Und gestern nun, als ich, um mich etwas zu trösten, allein in den Garten trat, wurde ich von dem verbrecherischen Jüngling, der hier hinter einem Buschwerk versteckt lag, angegriffen; und Allah weiß es, mit wie großer Schwierigkeit ich seinen Händen entronnen bin. Daher darfst du dich nicht verwundem, wenn ich ein so trauriges und beschwerliches Leben führe und in beständigem Kummer und bitteren Tränen lebe!« Als nun der Sultan auch durch seines schlechten Weibes Worte der gerechten Anklage versichert wurde, die sein Wesir gegen den unglücklichen Jüngling erhob, tröstete er sie mit vielen Worten und versprach ihr, daß sie fürderhin weder aus dieser noch aus einer andern Ursache von seinem Sohne belästigt werden sollte. Er verließ sie und rief den Wesir zu sich und befahl ihm, er solle andern Tages mit dem frühesten seinem Sohne den Kopf von Rumpfe trennen.
    Solcher Spruch dünkte dem treulosen Wesir zu grausam. Er sprach: ›Ach, o Gebieter, zu strenge und grausame Rache willst du an deinem Sohn nehmen, denn nicht mit Erfolg hat er seinen gottlosen und unehrenhaften Willen durchgesetzt. Mir nun scheint er grausam genug für seine Übeltat bestraft zu sein, wenn du ihn aus dem Lande vertreibst und ihn zu ewiger Verbannung verurteilst!‹ Diesen Rat konnte der Sultan, der

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