Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen
vor Wut und Zorn außer sich war, nicht billigen, und erst nachdem ihm der treulose Wesir mit vielen Worten zugesetzt hatte, willigte er schließlich ein. Und folgenden Morgens ließ er seinem unschuldigen Sohne wissen, daß er binnen acht Tagen die Grenzen seines Landes zu verlassen habe, und ließ ihm sagen, er solle niemals wieder, bei Strafe seines Lebens, zurückkehren. Der Jüngling aber glaubte, er sei beim Verlassen des Gartens zufällig von dem schlechten Wesir und der ruchlosen Sultanin gesehen worden, und das sei die Ursache seines Unglücks; er nahm einige seiner Geschmeide und Ringe und zog unverzüglich aus dem väterlichen Lande; und ganz traurig einherziehend, kam er nach sieben Tagen in einen Ort, der einem andern Fürsten unterworfen war, wo er drei wandernde Jünglinge fand, denen er sich zugesellte. Und als sie nun folgenden Tages auf dem Wege waren, hörte der Königssohn bei einer langen Unterhaltung, die sie miteinander führten, wie einer der Wanderer sagte, daß er ein Geheimnis wüßte, das ihn alle andern Menschen sehen ließe, ihn selbst aber unsichtbar mache; und vom zweiten vernahm er, daß er eines wüßte, das bewirkte, daß die Geister jederzeit zu seinen Diensten herbeieilten; und vom dritten, er wisse einige Worte, sooft er die spräche, würde sein Gesicht dem eines jeden, den er nur wollte, ähnlich, und ein anderes Wort sprechend, könnteer jeden, den er nur wollte, einschläfern. Weil der Prinz aber ihre Worte schlechterdings nicht glauben konnte, sprach er zu ihnen: »Und wie kann ich mich von der Wahrheit eurer Aussagen überzeugen ; habt ihr nicht etwas Unmögliches erzählt?« Sogleich erwiderten die Wanderer: »Auf daß du glaubst, was wir gesagt haben, wollen wir dich einen Beweis dessen sehen lassen;!« Und unverzüglich legten alle drei in seiner Gegenwart von dem, dessen sie sich rühmten, eine Probe ab. Darüber verwunderte sich der Jüngling sehr und sprach zu ihnen, da solche Künste des Truges voll wären, täten sie gut daran, sie zu vergessen; und sie sollten sich ihrer nicht mehr bedienen. Hierauf antworteten sie, daß sie sich ihrer zu keiner Zeit bedienten, außer wenn sie erlittenes Unrecht rächen wollten. Da sprach er zu ihnen: »Weil ich nun weiß, daß Rache meistens Nutzen und Gewinst bringen soll, so will ich euch Geschenke machen, auf daß ihr in Zukunft gänzlich von eurer Kunst ablassen könnt und kein Geld mehr nötig habt!« Und er zog aus seinem Mantelsacke den größten Teil der Geschmeide, die er bei sich trug, und verteilte sie in gleichen Teilen unter sie und ließ sich versprechen, daß sie sich von nun an ihrer Künste nicht mehr bedienen wollten. Auf daß sie aber nicht glaubten, er habe die Juwelen vielleicht irgendwo gestohlen, erzählte er ihnen, wessen Sohn er sei, und offenbarte ihnen sein Mißgeschick und den Verrat des treulosen Wesirs und der schlechten Sultanin. Darüber waren sie gar sehr verwundert und erkannten an seinem Gesicht, daß er wahrlich eines großen Fürsten Sohn war, dankten ihm für die empfangenen Geschenke, so gut sie es vermochten, und brachten ihm alle drei ihre Künste bei, auf daß er sich ob des zugefügten Verrates rächen könnte, und versprachen ihm, sie wollten sich ihrer in Zukunft nirgendwo mehrbedienen. Als nun der Jüngling die drei Künste erlernt hatte und erkannte, daß er sich mit ihnen an dem verruchten Wesir und der elenden Stiefmutter rächen könnte, nahm er Abschied, nachdem er einige Tage bei den drei Wanderern zugebracht und oft die von ihnen gelernten Künste versucht hatte, und verließ sie. Er wollte seine Rache ins Werk setzen und dem Vater seine Unschuld offenbaren; und sich der Kunst bedienend, die bewirkte, daß die Geister ihm zur Hilfe kamen, behielt er einen von ihnen zurück und beurlaubte die andern alle; dem befahl er nun, er solle ihn am Abend desselbigen Tages in die Stadt seines Vaters bringen; der gehorchte aber unverzüglich; und nachdem er ihn in die Stadt des Sultans und vor seinen Palast gebracht hatte, ging der Jüngling für diese Nacht in das Haus eines alten Weibes. Folgenden Morgens nun stand er zeitig auf und bediente sich der zweiten Kunst und ging aus dem Hause und sah jedermann und wurde von niemandem gesehen. Er trat zur Stunde des Empfangs in den Palast des Sultans und sah seinen Vater und den schlechten Wesir, der mit ihm sprach. Da packte ihn ein grimmer Zorn, und er befahl dem Geiste, der sich zu seinem Dienste eingestellt hatte, er solle dem Wesir zwei
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