Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen
er das sah, erzürnte sich Rammo heftig und gab dem Geiste Auftrag, kommende Nacht in des Wesirs Palast zu gehen und seiner Töchter schönste von dem Lager zu nehmen und zu ihm zu bringen. Der Geist nun gehorchte Rammo sogleich und trug die schönste der Wesirstöchter an seine Seite; als die Jungfrau darüber sehr betrübt war, sprach Rammo zu ihr: >Fürchte dich nicht, denn ich bin ein Mensch und liebe dich herzlich; und wisse, ich bin Rammo, des Sultans Sohn, deshalb mußt du nicht so betrübt sein, weil du mir zur Seite liegst!´< Hierauf antwortete sie, daß, wer er auch sei, sie sich ihm in keiner Weise fügen wollte. Da sprach Rammo zu ihr: >Auf daß du erkennst, in welch heißer Liebeich zu dir entbrannt bin und wie ich deine Ehre achten will, bin ich willens, dich zum Weib zu nehmen, und verspreche dir bei meinem Worte, daß du mein Weib werden sollst; doch darfst du solches ohne meinen Willen niemandem offenbaren!‹
Diese Worte waren der Jungfrau wohlgefällig, sie umarmte ihn und verbrachte diese Nacht in Freuden mit ihm. Er nun erhob sich am Morgen beizeiten und befahl der Jungfrau, sie sollte bis zu seiner Rückkehr das Bett nicht verlassen; er nahm dann die gewohnte Gestalt der Alten an, und nach dem Palaste des Wesirs gehend, stieß er auf dem Wege auf seinen Boten mit einem Auftrage an ihn. Als er nun vor des Wesirs Angesicht stand, sagte der zu ihm: ›Du weißt, o meine Mutter, wieviel Unheil mir binnen weniger Tage widerfahren ist, von dem hast du mich aber stets dank deiner großen Güte befreit. Doch jetzt ist eines über mich gekommen, welches größer ist denn alle andern, sintemal mir in vergangener Nacht nicht etwa ein Gewand, nein, eine Tochter geraubt ist, weswegen ich und mein Weib, Allah weiß es, tief betrübt sind. Wenn du jetzt, wie du mich von allem andern Ungemach befreit hast, auch dieses von mir nimmst, will ich dir tausend Golddinare zum Geschenke machen!‹ Darauf sagte Rammo, daß er ihnen nicht um Goldes, sondern um der Liebe willen, die er zu ihnen hegte, die Tochter gar bald wiederverschaffen wollte; er nahm Urlaub und kehrte in sein Haus zurück, und mit der Kunst, die er wußte, schläferte er die Tochter ein und befahl dem Geiste, sie mit Anbruch der Nacht in den Wesirspalast zurückzubringen. Am folgenden Morgen hörte dann der Wesir von seinen andern Töchtern, daß sie ihre Schwester wiederbekommen hätten, und wurde unbeschreiblich getröstet undzufrieden. Und er ließ sogleich das alte Weib vor sich kommen und sprach zu ihm: »O meine Mutter, ich sehe wahrlich und muß es offen bekennen, daß ich dir das Leben und die Ehre und das Heil meines ganzen Hauses verdanke; und deshalb biete ich dir nach deinem Gefallen, frohen Herzens der großen Schuld wegen, in der ich bei dir stehe, alles an, was in meiner Gewalt ist.« Als ihm Rammo dafür vielmals gedankt hatte, sagte er: »Nichts anderes, o Herr, als deine Gunst und Liebe wünsche ich zu erlangen, denn ich glaube wahrlich, daß ich bei deiner Großmut jederzeit meine Notdurft sogleich von dir erhalten werde!« Nachdem er sich mit solchen Worten von ihm verabschiedet hatte, ging er fort. Der Wesir aber verbrachte einige Tage ohne eine Belästigung und widmete sich wieder von neuem, alles geschehenen Elends vergessend, der gewohnten Lust mit der schlechten Sultanin. Das merkte Rammo, der auf nichts anderes acht hatte, und geriet in gar heftigen Zorn und wurde von wildem Grimm ergriffen. Er sprach bei sich selbst: »Es tut not, daß ich mich an dem schlechten und treulosen Wesir bitter und nachdrücklich räche, weil er sich durch keinen Unfall, der ihm zugestoßen ist, von seiner Aufführung, die meinem Vater, dem Sultan, solch große Unehre einträgt, abbringen läßt!« Er ging unter der gewohnten Gestalt des alten Weibes aus seinem Hause und traf auf einen ziemlich bejahrten Mann; an den trat er heran und befreundete sich mit ihm und lud ihn bald zum Essen ein und führte ihn in sein Haus; und als er sich eines Tages mit ihm über die Armut unterhielt, sagte er zu ihm: »O mein Bruder, da ich dich große Armut leiden sehe, will ich dir etwas angeben, das dich wahrlich in einem einzigen Tage reich machen wird, wenn du danach handelst!« Hierfür dankte der gute Mann Rammo gar herzlich und drang inihn, er möchte ihm solches Mittel sogleich offenbaren. Da sprach Rammo zu ihm: >Du weißt, daß der Sultan an jedem Donnerstage der Woche jeden Menschen öffentlich zu empfangen pflegt, und dieser Audienz muß sein Wesir
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