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Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen

Titel: Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anonymer Verfasser
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Vergnügen, das er eben gekostet hatte, ›ich ziehe es vor, wie du zu denken; indessen kann ich Naerdan nicht böse sein; seine Bescheidenheit, seine Zurückhaltung haben mich erfreut; doch denke ich nur an das einzige Vergnügen: an dem geliebten Gegenstande so angenehme Entdeckungen zu machen. Ich rechne damit,‹ fuhr er fort, ›daß du es nicht bei dieser einzigen Geschichte bewenden läßt und daß ein andermal...‹
    ›O Gebieter,‹ unterbrach ihn Fatme, ›ich bin überglücklich, dich unterhalten zu können, und bitte dich, mir eine Gnade zu gewähren.‹
    ›Was wünscht die Gebieterin meines Herzens und die Freude meiner Augen?‹ fragte Naur gütig.
    ›Es schien mir, o Gebieter,‹ antwortete sie ihm, ›daß Abukazir mir mit einer Aufmerksamkeit lauschte, die davon zeugt, daß er solcherart Geschichten liebt. Wenn man sie liebt, kennt man auch welche, und ich wünschte, ihn eine erzählen zu hören.‹
    Fatme wollte dem allzu furchtsamen Abukazir Gelegenheit zur Antwort geben; sie rechnete damit, aus einigen Zügen einer fremden Geschichte seine Gefühle für sie entnehmen zu können; da sie sich eine listige Zuflucht, zu der sie ihm das Beispiel gegeben hatte, nicht entgehn lassen wollte, drängte sie den König, ihren Geliebten zu der Genugtuung zu veranlassen. ›Ich billige deinen Vorschlag‹, sprach Naur. Mochte Abukazir sich auch eine Zeitlang wehren, der König sagte zu ihm im Fortgehen: ›Ich trage dir auf, morgen am Ende unseres Mahles eine Geschichte zu erzählen, und verzeihe es dir im voraus, wenn du uns nicht unterhältst; jedermann kann nicht gut erzählen; möchtest du dich nicht ebenso geschickt deiner Aufgabe entledigen wie Fatme?‹ Abukazir versicherte ihm in tiefster Demut, daß er ihm gehorchen würde. Und folgenden Abends, nachdem er tausendmal durch die süßen Blicke Fatmes beruhigt worden war, nahm er also das Wort:

Die Geschichte des Derwisches Abundar
    Ein durch sein Alter verehrungswürdiger Derwisch wurde bei einem seit langem verwitweten Weibe krank, das in großer Armut in der Vorstadt von Bassorah lebte. Er war so gerührt über die Sorge und den Eifer, mit dem sie ihn gepflegt hatte, daß er zu ihr im Augenblick seines Fortgehens sprach: ›Ich habe bemerkt, daß du die nötigen Mittel zum Alleinleben, aber nicht genug hast, um mit deinem einzigen Sohne, dem kleinen Abdallah, zu teilen; wenn du ihn mir anvertrauen willst, so will ich mein möglichstes tun, um an ihm die Schuld, in der ich durch deine Sorgfalt bin, wettzumachen.‹ Die gute Frau nahm seinen Vorschlag freudig an; und der Derwisch entfernte sich mit dem jungen Manne, nachdem er ihr gesagt hatte, daß sie eine Reise machen wollten, die nahezu zwei Jahre dauern würde. Indem sie die Welt durchzogen, ließ er ihn im Überfluß leben, gab ihm treffliche Unterweisungen, half ihm von einer tödlichen Krankheit, die ihn ergriffen hatte, und trug so viel Sorge um ihn, als wenn er sein eigener Sohn gewesen wäre. Abdallah wiederholte ihm hundertmal, wie dankbar er ihm für seine Wohltaten wäre, jedoch der Greis sagte stets zu ihm: ›O mein Sohn, durch Taten beweist man die Dankbarkeit; wir wollen Zeit und Gelegenheit abwarten!‹
    Sie befanden sich eines Tages auf ihrer Wanderung in einer entlegenen Gegend, und der Derwisch sprach zu Abdallah: ›O lieber Sohn, wir sind hier am Ziele unserer Reise; ich will durch meine Gebete den Himmel veranlassen, daß sich die Erde erschließt und eine Öffnung macht, und ich werde dir auftragen, durch sie an einen Ort zu gehen, wo du einen der größten Schätze, den die Erde in ihrem Schoße birgt, finden sollst... Wirst du wohl den Mut haben, in diese Höhle hineinzugehen?‹ fuhr er fort. Abdallah schwur ihm, daß er auf seine Gehorsamkeit und seinen Eifer rechnen dürfe. Darauf entzündete der Derwisch ein kleines Feuer und streute Wohlgerüche hinein, und las und betete eine Weile, bis sich die Erde öffnete; der Derwisch aber sagte dann: ›Du kannst hineingehen, o mein lieber Abdallah, denke daran, daß es nur auf dich ankommt, mir einen großen Dienst zu leisten, und daß es vielleicht die einzige Gelegenheit ist, um mir zu beweisen, daß du nicht undankbar bist; lasse dich nicht durch all die Reichtümer verblenden, die du da sehen wirst; denke nur daran, dich eines zwölf armigen eisernen Leuchters zu bemächtigen, den du bei einer Türe vorfindest; ihn habe ich dringend nötig, bringe ihn mir alsogleich!‹ Abdallah versprach alles und stieg dann mutig in die

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