Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen
Höhlung. Er vergaß jedoch, was ihm so ausdrücklich befohlen war; und in der Zeit, in der er sein Gewand mit Gold und Diamanten anfüllte, welche die Höhle in verschwenderischer Menge barg, hatte sich die Öffnung, durch die er eingetreten war, geschlossen. Er hatte indessen die Geistesgegenwart gehabt, den Eisenleuchter, den ihm der Derwisch so sehr anempfohlen hatte, an sich zu reißen; und obwohl die Lage, in der er sich befand, sehr schrecklich war, verzweifelte er doch nicht. Nur auf Mittel sinnend, einen Ort zu verlassen, der sein Grab werden konnte, sah er ein, daß sich die Höhle nur deswegen über ihm geschlossen hatte, weil er dem Befehle des Derwisches nicht genau nachgekommen war, und erinnerte sich der Guttaten und Fürsorge, mit denen er ihn überschüttet hatte, bereute seine Undankbarkeit und beschloß, sich vor Gott zu demütigen. Endlich nach vieler Besorgnis und Unruhe war er so glücklich, einen schmalen Weg zu finden, der ihn aus diesem dunklen Gefängnis entkommen ließ. Doch geschah es wirklich erst, nachdem er lange darin fortgetappt war, daß er eine kleine Öffnung entdeckte, die Brombeergesträuch und Dornen überwucherten, durch die er das Tageslicht wiedergewann. Er blickte nach allen Seiten, ob er nicht den Derwisch entdecken könnte, aber seine Bemühungen waren vergebens; er wollte ihm den Leuchter, den er sich so dringend wünschte, geben und dachte über eine Ausrede nach, wie er sich von dem Greise zu trennen vermöchte, denn er fühlte sich reich genug mit dem, was er von dem Schatze genommen hatte, um seiner Hilfe entraten zu können.
Als er aber weder den Derwisch vorfand noch irgendeinen Ort wiedererkannte, an dem er verweilt hatte, ging er einige Zeit auf das Geratewohl zu und war sehr überrascht, als er vor dem Hause seiner Mutter stand, von der er sich weit entfernt glaubte. Die forschte ihn zuerst nach Nachrichten über den heiligen Derwisch aus. Abdallah erzählte ihr aufrichtig alle Ereignisse und von der Gefahr, in die er sich begeben hatte, um eine sehr unvernünftige Laune zu befriedigen, die der gehabt hatte; dann aber zeigte er ihr die Reichtümer, mit denen er beladen war. Seine Mutter meinte, als sie ihrer ansichtig wurde, daß der Derwisch nur seinen Mut und Gehorsam habe prüfen wollen und daß er das Vermögen, welches ihm das Glück gegeben, für sich benutzen solle, ja, sie fügte hinzu, daß solches zweifelsohne vom heiligen Derwisch beabsichtigt sei. Während sie nun diese Reichtümer gierig betrachteten, von ihnen ganz geblendet waren und tausend Pläne für die Zukunft schmiedeten, verschwand plötzlich alles aus ihren Augen. Da bereute Abdallah bitter seine Undankbarkeit und seinen Ungehorsam. Und als er sah, daß der eiserne Leuchter der Verzauberung widerstanden hatte, oder vielmehr der Strafe, die der verdient, der seinen Versprechungen nicht nachkommt, sagte er, indem er sich zu Boden warf: ›Was mir geschah, geschieht gerecht, ich habe verloren, was ich nicht zurückgeben wollte, und der Leuchter, den ich dem Derwisch ausliefern sollte, ist mir geblieben; das ist eine Prüfung, die er vornahm und die ich schlecht bestanden habe!‹ Die ersten Fehler ziehen gewöhnlich Reue nach sich, doch ist sie nicht von langer Dauer. Nachdem er solche Worte gesprochen hatte, stellte er den Leuchter inmitten ihres kleinen Hauses auf.
Als die Nacht hereinbrach, steckte er, ohne sich etwas dabei zu denken, ein Licht auf den Leuchter, das ihnen leuchten sollte. Alsobald sahen sie einen Derwisch erscheinen, der sich eine Stunde lang drehte und dann verschwand, nachdem er ihnen ein Asperstück zugeworfen hatte. Der Leuchter aber war zwölfarmig. Abdallah gab sich den ganzen Tag mit dem ab, was er am Vorabend gesehen hatte, und war begierig darauf, was sich ereignen würde, wenn er zwölf Kerzen anzündete; also tat er denn, und sogleich erschienen zwölf Derwische, drehten sich ganz gleichmäßig eine Stunde lang, und jeder warf ihnen beim Verschwinden ein Asperstück zu. Er wiederholte alle Tage die gleiche Handlung, sie hatte stets denselben Erfolg; doch konnte er sie nur einmal im Verlauf von vierundzwanzig Stunden vornehmen. Die mäßige Summe, welche ihnen die Derwische schenkten, genügte, um ihn und seine Mutter ein Leben mit einem gewissen Überflusse führen zu lassen; lange Zeit hatten, sie sich nicht mehr zu ihrem Glücke gewünscht; doch war die Summe nicht beträchtlich genug, um ihr Schicksal günstiger zu gestalten; immer weidet sich die Einbildung
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