Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen
großer Schnelligkeit verbreiteten, unterrichteten Güzülbec bald von diesen traurigen Ereignissen; es durchbohrte ihr Herz, als sie von der Gefahr hörte, so ihr Geliebter liefe. Die Jüdin ließ keine allzu lange Zeit verstreichen, ohne sich bei ihr sehen zu lassen, und sprach zu ihr, indem sie zu ihr trat: ›Nun, bist du zufrieden, du brauchst deine Nebenbuhlerin nicht mehr zu fürchten, und...‹
›O Grausame,‹ antwortete ihr Güzülbec leise, ›gib ihr das Leben wieder und gefährde nicht die Tage meines Geliebten. Du kannst meiner gerechten Rache nicht entgehen!‹ fuhr sie fort, indem sie sie mit wutblitzenden Augen ansah, die in ähnlicher Lage die sanftesten Gemüter nicht weniger furchtbar machen können als die leidenschaftlichsten. Die Jüdin entfernte sich schleunigst.
Indessen hatte Hüssendschar nicht so bald Naerdans Unglück erfahren, denn er konnte ihn keines Verbrechens für schuldig halten, als er zum Gefängnisse kam; und er eilte herbei, um ihn zu trösten und zu erfahren, ob er ihm einen Dienst leisten könnte. Naerdan erzählte ihm sein Abenteuer genau; Hüssendschar wußte aber nicht, was er davon halten sollte, und machte sich eilig auf, um Möglichkeiten zu suchen, die seine Rechtfertigung bewerkstelligen konnten, ohne viel zu wissen, ob er damit Glück hätte. Sein erster Gedanke nun war, Kara Mehemmet in seinem neuen Hause, wo das Unglück geschehen war, aufzusuchen, um zu hören, was man dort sagte. Aber er war sehr überrascht, als er nicht die geringste Spur von dem prachtvollen Bauwerke entdecken konnte und an seiner Stelle ein altes Gemäuer sah, in dem er einen ehrwürdigen Greis erblickte, der ihn fragte, was er suche. ›Ich suche‹, entgegnete ihm Hüssendschar, ›ein großes Haus, das, wie mir scheint, noch gestern abend hier stand!‹
›Es ist wahr, daß hier eins stand,‹ versetzte der Alte, ›aber du siehst deutlich, daß es nicht mehr da ist; dein Erstaunen wird schwinden,‹ fügte er nach einigen Augenblicken des Schweigens hinzu, ›wenn du erfährst, daß ich ein Geist bin, den die Liebe deiner Tochter Güzülbec zu Naerdan gerührt hat; ich habe die Gestalt einer Jüdin angenommen, um alles klarer zu sehen, und habe noch die von Kara Mehemmet angenommen, der nicht vor heute abend in die Stadt zurückkommt; ich habe das Haus gebaut, in dem du gestern getafelt und die angebliche Hochzeit Naerdans gefeiert hast. Versprich ihn sofort deiner Tochter,‹ sprach er in einem strengen Tone weiter, ›ein ehrenwerter Mann in deiner Familie gilt mehr als alle Schätze; Naerdan wird sich um deinen Sohn kümmern; seine Tugend wird alles bei dir gut gedeihen lassen; wenn du mir eine so gerechte Bitte abschlägst, sorge ich dafür, daß du deine Weigerung tausendmal am Tage bereuen sollst!‹ Hüssendschar versprach dem Geiste alles, was er von ihm forderte; und der Luftgeist sagte zu ihm: ›Du kannst den Kadi aufsuchen, der Naerdan ins Gefängnis setzen ließ, verlange von ihm, daß er hierherkommt, und wenn er diesen Ort besichtigt und ihn so verschieden von dem sieht, der heute morgen da war, wird er keinen Augenblick darüber im Zweifel sein, daß Naerdans Abenteuer ein Zauber war; und du kannst leicht von ihm die Befreiung dessen erlangen, der ungerechterweise gefangen sitzt.‹
Hüssendschar gehorchte dem Alten. Alles traf ein, wie er es vorhergesagt hatte. Die Ankunft des wahren Kara Mehemmet, der in diesem Augenblicke hoch zu Roß an der Spitze seiner Sklaven erschien, versicherte dem Kadi die Wahrheit des Berichtes, den man ihm abgelegt hatte; Mehemmet aber gab das Wort zurück, das Hüssendschar von ihm verlangt hatte, daß er Naerdan seine Tochter geben wollte. Der schöne Liebhaber wurde zu der beständigen Geliebten geführt, und der Himmel, der sie beschützt hatte, segnete ihren Bund mit allen Glücksgütern.
Du siehst, o Gebieter,‹ fuhr dann Fatme fort, ›was eine lebhafte Zuneigung unternimmt, um sich Geltung zu verschaffen, und was sie tut, um glücklich zu werden; oft läßt sie gar den in Gefahr geraten, der mit einer schlecht angebrachten Furchtsamkeit liebt. Wenn Güzülbec wie Naerdan mit Hüssendschar gesprochen hätten, würden sie ihn vielleicht gerührt haben; Naerdan hätte Güzülbec rauben können; was weiß ich, was sie alles tun konnten? Alles,‹ sprach sie weiter, ›nur nicht untätig sein; und ich weiß nicht, was ohne den Geist aus ihnen geworden wäre.‹
›O göttliche Fatme,‹ sprach Naur zu ihr, entzückt von dem neuen
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