Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen
mit Gefahr an ersehnten Reichtümern. Der Anblick dessen, was sie zu besitzen geglaubt hatten, die Pläne, die sie über die Anwendung dieser Habe geschmiedet hatten, alles dies hatte tiefe Merkmale in Abdallahs Seele hinterlassen, die nichts verwischen konnte. Als er so den kargen Vorteil bedachte, den er aus dem Leuchter zog, faßte er den Plan, ihn dem Derwisch zurückzubringen, und hoffte dabeit daß er der Schätze, die er zu Gesicht bekommen habe, teilhaftig werden oder doch zum mindesten die vor seinen Augen verschwundenen wiederfinden könne, wenn er ihm etwas brächte, wonach er so großes Verlangen geäußert hatte. Glücklicherweise hatte er seinen Namen und den seines Wohnortes behalten. Und er brach alsobald auf, um nach Maghrabi zu wandern, nahm von seiner Mutter Abschied und machte sich auf den Weg mit seinem Leuchter, den er alle Abende sich drehen ließ und welcher ihm dadurch die Mittel für die Reise gewährte, so daß er die Hilfe und das Mitleid der Gläubigen nicht in Anspruch zu nehmen brauchte. Als er nun in Maghrabi anlangte, war seine erste Sorge, nach dem Kloster oder dem Hause zu fragen, in welchem Abunadar wohnte; der aber war so bekannt, daß ihm jedermann seinen Wohnsitz bezeichnen konnte. Alsogleich begab er sich dorthin und fand fünfzig Türhüter, die sein Haustor bewachten; jeder von ihnen hatte einen Stab mit einem goldenen Apfel in der Hand, die Gänge des Palastes waren voller Sklaven und Diener, niemals prunkte der Wohnsitz eines Fürsten mit soviel Pracht. Abdallah war von Erstaunen und Verwunderung ganz benommen und konnte sich nicht entschließen, vorwärts zu gehen. ›Gewißlich‹, sprach er zu sich selber, ›habe ich mich ungenügend erkundigt, oder die, an die ich mich gewandt habe, wollten sich über mich lustig machen; dies hier ist nicht eines Derwisches, es ist eines Königs Wohnsitz.‹ Und er war in solcher Verwirrung, als ihm ein Mann entgegentrat und zu ihm sprach: ›O Abdallah, sei willkommen, mein Gebieter Abunadar erwartet dich seit langem!‹ Endlich führte er ihn in ein gefälliges und prächtiges Lusthaus, in dem der Derwisch saß. Abdallah war ganz verwirrt über all die Eeichtümer, die ihm aus allen Ecken entgegensahen, und wollte sich ihm zu Füßen stürzen, jedoch hinderte ihn Abunadar daran und unterbrach ihn, als er es sich zum Verdienste machen wollte, ihm den Leuchter zu schenken. ›Du bist undankbar,‹ sagte er zu ihm, ›glaubst du mich darüber zu täuschen? Ich kenne jeden deiner Gedanken, und wenn du den Wert des Leuchters erkannt hättest, so würdest du ihn mir niemals gebracht haben. Aber ich will dir seinen wahren Nutzen zeigen!‹ Alsogleich steckte er ein Licht auf jeden seiner Arme, und als sich die zwölf Derwische eine Weile gedreht hatten, gab Abunadar einem jeden von ihnen einen Stockhieb, und im selben Augenblicke verwandelten sie sich in ein Dutzend Golddinare, Diamanten und andere kostbare Steine. ›So‹, sprach er zu ihm, ›muß man dieses Wunder ausnutzen. Schließlich habe ich nur gewünscht, ihn in meinem Gemache aufzustellen als einen Talisman, den ein von mir verehrter Weiser gearbeitet hat und den ich gern allen Leuten zeigen wollte, die mich von Zeit zu Zeit besuchen. Und um dir zu beweisen,‹ fügte er hinzu, ›daß die Liebhaberei an solchen merkwürdigen Gegenständen der einzige Grund war, weshalb ich ihn zu bekommen suchte, so nimm hier die Schlüssel zu meinen Speichern, öffne sie, und du wirst sehen, welche Reichtümer ich besitze; und du sollst mir sagen, ob nicht der unersättlichste Geizhals damit zufrieden wäre!‹ Abdallah aber gehorchte ihm und schritt durch zwölf sehr weitläufige Kammern, die derartig mit allen Arten von Kostbarkeiten angefüllt waren, daß er ratlos war, welcher er seine höchste Bewunderung zollen sollte; doch verdienten und vermehrten alle sein Verlangen. Indessen zerfleischte der Verdruß, den Leuchter fortgegeben, und der, seine Anwendung nicht gekannt zu haben, Abdallahs Herz. Abunadar schien solches nicht zu bemerken, im Gegenteil, er überschüttete ihn mit Liebkosungen, behielt ihn einige Tage in seinem Hause und verlangte für ihn dieselbe Behandlung wie für sich. Wie nun der Vorabend des Tages herangekommen war, den Abdallah für seine Abreise angesetzt hatte, sprach er zu ihm: ›O mein Sohn Abdallah, ich glaube, daß du nach dem, was dir zugestoßen ist, jenes schändliche Laster der Undankbarkeit abgelegt hast; daher will ich dir meine Dankbarkeit bezeigen,
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